[145] Auslieferung von Verbrechern, im Staats- und V�lkerrecht ein Akt der internationalen Rechtshilfe, wodurch die inl�ndischen Beh�rden in ihrem Gebiet sich aufhaltende Personen den ausl�ndischen Beh�rden zur Verfolgung oder Bestrafung �berliefern. Im Altertum fehlte es an einer Regelung der A., indem die Verbannung oder das Exil selbst Strafe war und die Rechtlosigkeit des auf das Asylrecht (s. Asyl) angewiesenen Fl�chtlings in der Fremde gegen�ber der ihn in der Heimat erwartenden Strafe als das schlimmere �bel erschien. Ebensowenig kennt das Mittelalter bestimmte Regeln f�r die A., indem die zahlreichen selbst�ndigen Staatsgewalten eifers�chtig auf ihre Selbst�ndigkeit hielten und die altherk�mmlichen Vorstellungen von Gastfreundschaft und das durch die barbarischen Strafmittel jener Zeit herausgeforderte Mitleid gegen eine A. sprachen. Dennoch kennt die mittelalterliche Rechtsgeschichte einige Beispiele von Auslieferungsvertr�gen. Sp�ter verfolgten h�ufig absolute Herrscher ihre Gegner mit allen Mitteln auch au�erhalb ihres Landes, insbes. Ludwig XIV. Einen Wendepunkt in der Geschichte der A. bezeichnet das 18. Jahrh. Die Landesverweisung verschwand allm�hlich (Friedrich d. Gr.). �berall traten, zumal nach dem Auftreten Beccarias, die allgemeinen menschlichen Interessen in der Strafrechtspflege und Strafgesetzgebung in den Vordergrund und der Eigennutz der einzelnen Staaten in der Verfolgung ihrer besondern Interessen zur�ck. Frankreich, D�nemark, Spanien, die deutschen Staaten, Schweden, Ru�land, sogar England und die nordamerikanische Union schlossen Auslieferungsvertr�ge miteinander ab.
F�r die im 19. Jahrh. fortschreitende Entwickelung der A. waren vorzugsweise zwei Verh�ltnisse von Wichtigkeit: einmal n�tigte jede der zahlreichen derzeitigen politischen Bewegungen die hervorragenden F�hrer aufst�ndischer Parteien oder der gest�rzten Reaktian, in das Ausland unter den Schutz freierer Staatsordnungen zu fl�chten. Anderseits fand aber auch das gemeine Verbrechen in der auf der gewaltigen Verkehrsentwickelung der neuesten Zeit beruhenden Leichtigkeit, die Staatsgrenze zu �berschreiten, einen Anreiz zur Bet�tigung. England, Belgien und die Schweiz verteidigten demnach das Asylrecht f�r politische Verbrecher, w�hrend sie gleichzeitig die tatkr�ftige Verfolgung gemeiner Verbrecher zuzugestehen bereit waren. Von hervorragender Wichtigkeit f�r die sp�tere Ausbildung der Auslieferungspraxis nach 1848 wurde insbes. die belgische Gesetzgebung.
Heutzutage ist es unbestritten, da� die A. von einem Staat (dem Zufluchtsstaat) an einen andern Staat (den Verfolgungsstaat) einen wesentlichen Bestandteil geordneter Strafrechtspflege darstellt. Immerhin ist es streitig, ob eine Auslieferungspflicht, vom Standpunkt allgemeiner v�lkerrechtlicher Grunds�tze ausgehend, auch ohne vertragsm��ige Vereinbarung angenommen werden kann. Von einer allgemeinen Auslieferungspflicht kann jedenfalls so lange noch nicht die Rede sein, als nicht eine Ausgleichung der haupts�chlichsten Strafrechtsverschiedenheiten in den einzelnen L�ndern eingetreten ist.
Somit sind die Staaten zur A. aneinander nur so weit verbunden, als sie sich vertragsm��ig dazu verpflichtet haben, unbeschadet nat�rlich der moralischen Verpflichtung sowie des Rechts, auch ohne vertragsm��ige Verbindlichkeit eine A. zu gew�hren. Die �bernahme solcher Verpflichtungen ist jedoch keine Sache reiner Willk�r, indem in der konstitutionellen Monarchie der Abschlu� von Auslieferungsvertr�gen zumeist die Mitwirkung der Volksvertretung erfordert (vgl. Reichsverfassung, Art. 4, Ziff. 13). Die Hauptpunkte der Auslieferungsvertr�ge sind:
1) Die Bestimmung derjenigen Personenklassen, die der A. unterliegen sollen. In den Staaten des europ�ischen Festlandes ist es nicht �blich, in einzelnen sogar gesetzlich verboten (so nach dem deutschen Strafgesetzbuch, � 9, und nach dem �sterreichischen, � 36), eigne Staatsangeh�rige an das Ausland auszuliefern (anders England und Amerika). Selbstverst�ndlich ist unter Ausland in dieser Hinsicht innerhalb eines Bundesstaates ein Gliedstaat im Verh�ltnis zu einem andern nicht zu verstehen. Das interne Auslieferungswesen regeln in Deutschland die Strafproze�ordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz. Was das Verh�ltnis �sterreichs zu Ungarn betrifft, so werden �sterreichische Staatsangeh�rige wegen in Ungarn ver�bter strafbarer Handlungen nicht an die dortigen Strafgerichte ausgeliefert; doch k�nnen Angeh�rige der ungarischen Reichsh�lfte, die au�erhalb der �sterreichisch-ungarischen Monarchie eine strafbare Handlung begehen und in Zisleithanien betreten werden, niemals aus Ausland ausgeliefert werden.
2) Die Bestimmung derjenigen Verbrechensf�lle, in denen A. stattfinden soll. Die geringf�gigen �bertretungen scheiden dabei schon mit R�cksicht auf den Kostenpunkt aus. Ebenso hat sich der Grundsatz ausgebildet, wegen politischer Verbrechen nicht auszuliefern. Dies sind strafbare Handlungen, die gegen das Staatsganze oder die obersten Organe der Staatsgewalt oder die staatsb�rgerlichen Rechte gerichtet sind (Hoch- und Landesverrat, Majest�tsbeleidigung, feindliche Handlungen gegen befreundete Staaten, Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf die Aus�bung staatsb�rgerlicher Rechte). Moderne Vertr�ge bestimmen, nach dem Vorgang Belgiens vermittelst der sogen. Attentatsklausel, vielfach, da� Mord anf�lle gegen das Staatsoberhaupt oder die Mitglieder der Regentenh�user als gemeine Verbrechen erachtet werden sollen. Nach der Ausscheidung der geringf�gigen Delikte und der politischen Verbrechen bleiben als eigent�mliches Objekt der Auslieferungsvertr�ge die schweren gemeinen Verbrechen oder Vergehen, wie T�tungen, K�rperverletzungen, Raub, Diebstahl, Notzucht, Falschm�nzerei etc.
3) Die Feststellung des Auslieferungsverfahrens zwischen den beteiligten Regierungen.
4) Die Behandlung der Kostenfrage. Mit der A. der Person ist jeweilig auch die Beschlagnahme derjenigen Sachen verbunden, die als Beweismittel f�r den Untersuchungszweck oder als sp�tere Ersatzquelle f�r den verbrecherisch verursachten Schaden in Anspruch genommen werden. Im �brigen kann sich das Auslieferungsverfahren je nach den Umst�nden verschieden gestalten. Ein abgek�rztes Verfahren pflegt bei entlaufenen Matrosen im Interesse der Seeschifffahrt �berall auf Grund von Handels-, Schiffahrts- und Konsularvertr�gen zugelassen zu werden. Die A. von Milit�rpflichtigen wird in besondern Kartellen (s. d.) geregelt.
Deutschland, das wegen seiner zentralen Lage in Europa die Unterst�tzung des Auslandes zur Verfolgung fl�chtiger Verbrecher besonders h�ufig in Anspruch[145] nehmen mu�, hat verh�ltnism��ig nur wenige und teilweise ungen�gende Auslieferungsvertr�ge mit dem Ausland abgeschlossen, so da� wir hinter andern L�ndern, wie insbes. Italien und Belgien, ziemlich weit zur�ckstehen. Deutschland hat Auslieferungsvertr�ge bis jetzt nur mit der nordamerikanischen Union (1852, 1868), Italien (1871), Gro�britannien (1872, bez�glich der deutschen Schutzgebiete 1894), Schweiz (1874), Belgien (1874), Luxemburg (1876), Brasilien (1877), Schweden und Norwegen (1878), Spanien (1878), Uruguay (1880), dem Kongostaat (1890 f�r die deutschen Schutzgebiete in Afrika) und den Niederlanden (1896). Au�erdem sind noch verschiedene von einzelnen deutschen Staaten mit dem Ausland abgeschlossene Vertr�ge (z. B. Preu�en und Bayern mit Ru�land) in G�ltigkeit. Eigent�mlich ist, da� das Deutsche Reich bisher noch nicht erreicht hat, mit den Nachbarm�chten Frankreich und �sterreich Auslieferungsvertr�ge abzuschlie�en; doch wird im Verh�ltnis zu �sterreich (nicht auch zu Ungarn) der Beschlu� des Deutschen Bundes vom 26. Jan. 1854, die gegenseitige A. betreffend, noch als zu Recht bestehend erachtet. �sterreich hat Auslieferungsvertr�ge abgeschlossen mit Belgien (12. Jan. 1881), Frankreich (13. Nov. 1855), Gro�britannien und Irland (3. Dez. 1873), Italien (27. Febr. 1869), Luxemburg (11. Febr. 1882), Montenegro (23. Sept. 1872), mit den Niederlanden (24. Nov. 1880), Nordamerika (3. Juli 1856), Ru�land (15. Okt. 1874), Schweden und Norwegen (2. Juni 1868), Schweiz (17. Juli 1855), Serbien (6. Mai 1881) und Spanien (17. April 1861).
Vgl. v. Holtzendorff, Die A. der Verbrecher und das Asylrecht (Berl. 1881); Bernard, Trait� de l'extradition (2. Aufl., Par. 1890, 2 Bde.); Hetzer, Deutsche Auslieferungsvertr�ge (Berl. 1883); v. Staudinger, Sammlung von Staatsvertr�gen des Deutschen Reiches �ber Gegenst�nde der Rechtspflege (2. Aufl., M�nch. 1895); Delius, Das Auslieferungsrecht (Hannov. 1899); Grosch, Das deutsche Auslieferungsrecht (Karlsr. 1902); f�r �sterreich: Jettel, Handbuch des internationalen Privat- und Strafrechts (Wien 1893).
Buchempfehlung
Die vorliegende �bersetzung gibt den wesentlichen Inhalt zweier chinesischer Sammelwerke aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert wieder, die Aufzeichnungen �ber die Sitten der beiden Vettern Dai De und Dai Schen. In diesen Sammlungen ist der Niederschlag der konfuzianischen Lehre in den Jahrhunderten nach des Meisters Tod enthalten.
278 Seiten, 13.80 Euro