V�lkerrecht

[227] V�lkerrecht (internationales Recht, Jus gentium, Jus belli et pacis, franz. Droit international, Droit des gens, engl. Law of nations, Internationallaw, ital. Diritto internazionale), Inbegriff der Rechtsgrunds�tze �ber das gegenseitige Verhalten und Verh�ltnis der Staaten der zivilisierten Welt. Insoweit diese Normen lediglich aus der Natur der wechselseitigen Verh�ltnisse der Staaten �berhaupt gefolgert werden, also auf rechtsphilosophische Anschauung zur�ckzuf�hren sind, spricht man von allgemeinem oder philosophischem V., w�hrend man diejenigen Rechtsgrunds�tze, die auf vertragsm��igem �bereinkommen bestimmter einzelner Staaten oder auf feststehendem Gebrauch im Verkehr dieser Staaten untereinander beruhen, als praktisch es oder positives V. bezeichnet. Praktisches europ�isches V. insbes. werden diejenigen Rechtsregeln genannt, welche die Staaten, und zwar zun�chst die christlichen Staaten, der europ�ischen V�lkerschaften sowie der von ihnen beherrschten und kolonisierten L�nder andrer Weltteile verpflichten. Seit dem Pariser Frieden von 1856 ist auch die T�rkei in die sogen. Gemeinschaft des europ�ischen V�lkerrechts mit aufgenommen, w�hrend die nordamerikanische Union sich nicht unbedingt an jene Normen bindet und namentlich den Abmachungen der europ�ischen Staaten �ber die Kaperei nicht beigetreten ist. Was die Quellen des positiven V�lkerrechts anbelangt, so beruhen dieselben zun�chst auf den von einzelnen Staaten miteinander abgeschlossenen Staatsvertr�gen, dann auf dem Herkommen oder der v�lkerrechtlichen Gewohnheit. Die Hauptvertr�ge, die hierbei in Frage kommen, sind: der Westf�lische Friede von 1648, der Friede zu Utrecht von 1713, die Wiener Kongre�akte vom 9. Juli 1815. die sogen. Heilige Allianz vom 25. Sept. d. J., das Aachener Konferenzprotokoll vom 24. Mai 1818, der Pariser Friede vom 30. M�rz 1856, die Genfer Konvention vom 22. Aug. 1864, die das Elend der Kriegf�hrung, namentlich f�r Verwundete, zu mildern sucht, die Petersburger Konvention vom 11. Dez. 1868 �ber die Unzul�ssigkeit des Gebrauches explosiver Geschosse aus den Handfeuerwaffen, der Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878 �ber die Orientfragen, die Kongoakte vom 26. Febr. 1885 (s. Kongokonferenz) und die Antisklavereiakte vom 2. Juli 1890 (s. Sklaverei, S. 527). Vgl. auch Friedenskonferenz (Haager). Auch die Handels- und Schiffahrtsvertr�ge sowie die internationalen Post- und Telegraphenvertr�ge der Neuzeit, namentlich der Weltpostvereinsvertrag, ebenso die Vertr�ge �ber den Schutz des Urheberrechts (s. d.) geh�ren hierher. Insofern, als es in Ansehung der v�lkerrechtlichen Normen an einer gemeinsamen richterlichen Autorit�t fehlt, die deren Erzwingbarkeit garantiert, ist dem V. vielfach der Charakter eines eigentlichen Rechtes abgesprochen worden; die praktische Anwendbarkeit des V�lkerrechts h�ngt eben zumeist von den Machtverh�ltnissen der beteiligten Staaten ab. Um so beachtenswerter ist es daher, da� man in neuerer Zeit wiederholt in Streitigkeiten v�lkerrechtlicher Natur die Entscheidung eines Schiedsgerichts angerufen hat (s. Schiedsrichter, S. 753) und das Bestreben der Haager Friedenskonferenz dahin geht, einen st�ndigen Schiedsgerichtshof zu schaffen. Auch eine Kodifikation des V�lkerrechts wird angestrebt. In neuerer Zeit haben sich die Pflege und Fortbildung des V�lkerrechts mit gro�em Erfolge zur Aufgabe gemacht (vgl. Internationales Recht): der Verein f�r Reform und Kodifikation des V�lkerrechts (jetzt International law Association genannt), das Institut f�r internationales Recht (s. d.) und die mehrfach erw�hnte Haager Friedenskonferenz (s. d.). Zu dem �ffentlichen oder eigentlichen V. geh�ren insbefondere: die Normen �ber Unabh�ngigkeit, Gleichheit und Selbsterhaltung der einzelnen Staaten, ferner das Recht der v�lkerrechtlichen Ehre, das Vertrags- und Gesandtschaftsrecht, die Grunds�tze �ber die Staatsvertretung nach au�en, �ber Krieg und Frieden, �ber das Recht der Neutralen und �ber das internationale Seewesen (s. Seerecht). Die wissenschaftliche Bearbeitung des V�lkerrechts beginnt mit Grotius (s. d.), dessen ber�hmtes Werk »De jure belli ac pacis« (deutsch von Kirchmann, Berl. 1869–70, 2 Bde.) 1625 erschien. Ihm folgten: Hobbes, Pufendorf, Moser, Kl�ber und Zachari�, unter den Neuern Heffter, Bluntschli und v. Holtzendorff, der Engl�nder Phillimore und der Amerikaner Wheaton. Vgl. v. Holtzendorff, Handbuch des V�lkerrechts (in Einzelbeitr�gen verschiedener Verfasser, Berl. 1885–89, 4 Bde.), sowie die Lehr- und Handb�cher des V�lkerrechts von Heffter (8. Ausg.,[227] Berl. 1888), Bluntschli (3. Aufl., N�rdl. 1878), Bulmerincq (2. Ausg., Freib. 1889), F. v. Liszt (5. Aufl., Berl. 1907), F. v. Martens (deutsch von Bergbohm, das. 1883–86, 2 Bde.), H. Bonfils (4. Aufl., deutsch von Grah, das. 1905). Rivier (2. Aufl., Stuttg. 1899), Ullmann (Freiburg 1898); Lawrence, Handbook of public international law (4. Aufl., Lond. 1898); Ferguson, Manual of international law (das. 1884, 2 Bde.); Pradier-Fod�r�, Trait� de droit international public europ�en et am�ricain (Par. 1885 bis 1906, 8 Bde.); Walker, History of the law of nations (Bd. 1, Cambr. 1900); Nippold, Die Fortbildung des Verfahrens in v�lkerrechtlichen Streitigkeiten (Leipz. 1907). Zeitschriften: »Revue de droit international« (Br�ssel, seit 1869); »Revue g�n�rale de droit international public« (seit 1894); »Zeitschrift f�r V. und Bundesstaatsrecht« (hrsg. von Kohler, Bresl. 1906 ff.).

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 227-228.
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