Apotheke

[628] Apotheke (griech., »Niederlage«), eine Anstalt, in der alle durch die Landesgesetze festgestellten Arzneimittel nebst sonst noch gebr�uchlichen vorr�tig gehalten und in der Weise vorbereitet werden, da� sie unmittelbar zum arzneilichen Gebrauch benutzt oder schnell in die vom Arzt verordnete Arzneiform �bergef�hrt werden k�nnen. Filialapotheken, die wegen der Geringf�gigkeit ihres Umsatzes oder wegen der Beschr�nkung ihres Betriebes auf eine gewisse Jahreszeit (Badesaison etc.) als Abzweigung einer vollst�ndigen A. betrieben werden, beziehen ihren Bedarf von der Mutterapotheke und beschr�nken sich meist auf Arzneidispensation und Warenverkauf. Die Konzession der Filialapotheken ist widerruflich, und dem Besitzer ist nicht gestattet, eine seiner beiden Apotheken zu verpachten. Dispensieranstalten, mit sehr seltenen Ausnahmen nur im Interesse eines Krankenverbandes, einer Klinik, eines Lazaretts etc. angelegt und nicht befugt zum Arznei- und Warenvertrieb au�erhalb des Hauses, stellen die in einer inl�ndischen A. vorbereiteten Mittel durch ein gepr�ftes Apothekerpersonal f�r den Gebrauch der Kranken fertig. Hausapotheken, deren Betrieb �rzten nur in besondern F�llen, nach spezieller Pr�fung ihrer Bef�higung und auch nur dann gestattet wird, wenn und solange sich an ihrem Wohnort und in dessen n�chstem Umkreis keine selbst�ndige A. befindet, sind nur f�r die eigne Praxis des betreffenden Arztes bestimmt; ihr Umfang beschr�nkt sich auf die in dringenden F�llen unentbehrlichsten Medikamente, diese d�rfen nur aus einer inl�ndischen A. bezogen werden, und Gifte im engern Sinne (Tabelle B des deutschen Arzneibuches) d�rfen nicht gef�hrt werden. In diesem gesetzlichen Sinne sind die lediglich f�r den Privatgebrauch bestimmten Zusammenstellungen von Arzneimitteln keine Hausapotheken. Auch Tier�rzte d�rfen in den meisten Bundesstaaten (nicht in W�rttemberg, Baden, Hessen, Sachsen-Meiningen) Hausapotheken f�r die eigne Praxis halten, die aber den f�r Apotheken und �rztliche Hausapotheken geltenden Vorschriften nicht unterworfen sind. In Preu�en und dem Reichsland sind nur die direkten Gifte ausgeschlossen. Hom�opathische Apotheken werden als Nebengesch�ft allopathischer Apotheken oder von hom�opathischen �rzten betrieben, die nach einer speziellen Pr�fung dazu autorisiert sind. Ihr Lokal mu� von den sonstigen Apothekenr�umen,[628] allenfalls auch von den Wohnr�umen des Arztes, vollst�ndig getrennt sein. Der Ankauf der Vorr�te soll nur aus inl�ndischen Apotheken geschehen, und den selbst dispensierenden hom�opathischen �rzten ist der gegenseitige Umtausch ihrer Artikel verboten.

Zum Betrieb einer A. geh�ren au�er dem Verkaufslokal (Offizin) f�r Anfertigung und Verabreichung der einzelnen Arzneien das Laboratorium, in dem die chemische oder technische Anfertigung und Zubereitung der Arzneik�rper stattfindet, die man als chemische oder pharmazeutische Pr�parate oder galenische Mittel bezeichnet, ferner Schneide-, Sto�- und Siebkammern, Vorratsr�ume (Materialkammer, Kr�uterboden, Trockenschrank, Keller) und unter letztern abgesonderte, f�r sich verschlossene R�ume zur Aufbewahrung der stark wirkenden oder giftigen Mittel etc.

Die Apotheker sind der staatlichen Oberaufsicht unterstellt. Nur derjenige ist f�hig, einer A. vorzustehen, der die Apothekerkunst ordentlich erlernt hat, zu deren Aus�bung nach angestellter Pr�fung von der Medizinalbeh�rde t�chtig befunden und zur Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten durch diese Beh�rde verpflichtet ist. Die deutsche Gewerbeordnung (� 29) verlangt zun�chst f�r den Apotheker die pers�nliche Approbation, die unter den durch verschiedene Bundesratsverordnungen seit 1875 bestimmten Voraussetzungen erteilt werden soll. Die pharmazeutische Pr�fung wird vor den pharmazeutischen Pr�fungskommissionen abgelegt, die an den deutschen Universit�ten sowie an den technischen Hochschulen zu Braunschweig, Stuttgart und Karlsruhe eingerichtet sind. Bedingungen f�r Zulassung zur Pr�fung sind: die Bef�higung zum einj�hrigen Milit�rdienst mit Inbegriff des Latein; dreij�hrige oder f�r Abiturienten von Gymnasien und Realgymnasien zweij�hrige Lehrzeit in einer Apotheke, bestandene Gehilfenpr�fung, 3 Jahre Dienstzeit (Servierzeit) in Apotheken, wovon wenigstens 11/2 Jahr in Deutschland, viersemestriges Studium an einer Universit�t oder an einer der genannten technischen Hochschulen. Zur Erteilung der Approbation auf Grund der bestandenen Pr�fung sind die Zentralbeh�rden (Ministerien) der betreffenden Staaten befugt. Die Approbation gilt f�r das ganze Reichsgebiet. Ihre Zur�cknahme ist zul�ssig, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargetan wird, auf Grund deren sie erteilt wurde; sie findet ferner statt bei Aberkennung der b�rgerlichen Ehrenrechte f�r die Dauer des Ehrenverlustes. Frauen werden im Deutschen Reich zu den pharmazeutischen Pr�fungen zugelassen, wenn sie die vorgeschriebene schulwissenschaftliche Vorbildung besitzen und einen ordnungsm��igen akademischen Studiengang nachweisen k�nnen. Immatrikulation wird nicht gefordert. Auch in �sterreich werden seit 1900 Frauen zum pharmazeutischen Beruf zugelassen.

Die approbierten Apotheker bed�rfen zur Anlegung und Verlegung einer A. staatlicher Genehmigung. Die fr�hern Realrechte, die mit einem bestimmten Geb�ude verbunden waren, bestehen noch jetzt fort; das Entstehen neuer Realrechte ist nach der Gewerbeordnung ausgeschlossen. Die Erlaubnis zum Betrieb einer neuen A. wird nach Bed�rfnis als Personalkonzession erteilt, so da� der neue Erwerber einer konzessionierten A. gleichfalls der Konzession bedarf. Einem approbierten Apotheker, der eine reale A. erworben hat, kann der Gewerbebetrieb nicht beanstandet werden. Der Empf�nger einer Konzession darf in Preu�en (seit 1886) die A. fr�hestens erst nach 10 Jahren verkaufen. In Bayern, W�rttemberg, Baden, Braunschweig f�llt die Konzession nach Ableben oder Ausscheiden des Inhabers an den Staat zur�ck. Eine kaiserliche Verordnung vom W. Okt. 1901 setzt fest, welche Apothekerwaren dem freien Verkehr �berlassen und welche ausschlie�lich dem Verkauf in Apotheken vorbehalten sind. Ein Bundesratsbeschlu� vom 29. Nov. 1894 betrifft die Handhabung der Giftverordnung. Vom Hausierhandel sind Arznei- und Geheimmittel ausgeschlossen. Taxen f�r Apotheker k�nnen durch die Zentralbeh�rden festgestellt werden, doch sind Erm��igungen derselben durch freie Vereinbarung zul�ssig. Das Apothekenwesen richtet sich, soweit es nicht reichsgesetzlich geregelt ist, nach den Apothekenordnungen der Einzelstaaten. Die zum Betrieb einer A. unentbehrlichen Ger�te, Gef��e und Waren sind der Pf�ndung (s. d.) nicht unterworfen. Wegen der Verschwiegenheitspflicht der Apotheker s. Geheimnis; wegen ihrer Berechtigung im Konkurs s. d.; ihre Anspr�che verj�hren in 2 Jahren (B�rgerliches Gesetzbuch, � 196, Ziff. 1).

Fr�her besch�ftigte sich der Apotheker weitaus umfangreicher als heute mit der Einsammlung von Arzneipflanzen und mit der Herstellung von Chemikalien. Gegenw�rtig bezieht er die Drogen aus Drogenhandlungen und die Chemikalien aus chemischen Fabriken. Dementsprechend gibt das »Deutsche Arzneibuch« von 1890 nur wenige Vorschriften zur Darstellung chemischer Pr�parate. Auch Pflaster, Tinkturen etc. werden vielfach von Fabriken geliefert. Der Apotheker bleibt aber gegen�ber dieser Vereinfachung seines Betriebes verantwortlich f�r die G�te und Reinheit aller Arzneimittel. Er steht unter der Kontrolle des Staates, der dieselbe durch alle 1–3 Jahre mindestens einmal vorzunehmende Revisionen aus�bt. Von den Arzneimitteln darf ein Teil im Handverkauf abgegeben werden, andre sind nur gegen �rztliche Verordnung zu verabfolgen, und von letztern bed�rfen gewisse st�rker wirkende Mittel auf dem Rezept eines re�teretur-vermerkes seitens des verordnenden Arztes, wenn sie wiederholt abgegeben werden sollen. F�r gewisse Arzneimittel schreibt die Pharmakop�e Maximaldosen vor, deren �berschreitung der Arzt auf dem Rezept besonders zu kennzeichnen hat. Unterbleibt die vorgeschriebene Kennzeichnung, so hat sich der Apotheker nach den bestehenden Bestimmungen zu richten. Verwechselungen von Arzneimitteln sind durch Anwendung besonderer Vorsichtsma�regeln zu vermeiden, namentlich sind auch �u�erliche und innerliche Mittel in einer Form zu dispensieren, da� eine Verwechselung nicht gut m�glich ist. – In �sterreich kann niemand zum Besitz einer A. gelangen, der sich nicht mit einem von einer �sterreichischen Universit�t erhaltenen Diplom (als Doktor der Chemie oder Magister der Pharmazie) ausweist (Hofdekret vom 28. Sept. 1820). Die Bewilligung zur Errichtung einer neuen A. steht der Statthalterei zu. Zur Verleihung einer A. an eine bestimmte Person ist die Bezirkshauptmannschaft, bez. der mit der politischen Amtsf�hrung betraute Magistrat befugt (Ministerialerla� vom 18. Juni 1858).

Die Zahl der Apotheken betrug 1895 in Preu�en 2898, in Bayern 655, in Sachsen 288, in W�rttemberg 271, in Baden 204, in Elsa�-Lothringen 230, im Deutschen Reich 5161. Es entfiel eine A. auf 10,992 Einw. in Preu�en, 8883 in Bayern, 13,151 in Sachsen, 7679 in W�rttemberg, 8458 in Baden, 7134 in Elsa�-Lothringen, 10,129 im Deutschen Reich. Im Deutschen Reich waren 1820 privilegierte etc., 3116 konzessionierte, 3 sonstige, 37 im Besitz der Krone befindliche Apotheken und 185 Filialen vorhanden. Die Gesamtzahl des pharmazeutischen Personals belief sich auf 12,036 oder 2,3 auf 10,000 Einw.[629]

Einsammlung und Zubereitung von Arzneimitteln wurde im Altertum von Priestern, dann lange Zeit hindurch von �rzten ausge�bt; eine Trennung der Pharmazie von der Heilkunst vollzog sich zuerst bei den Arabern; im 8. Jahrh. bestand in Bagdad eine A.; im 9. Jahrh. schrieb ein arabischer Arzt die erste Pharmakop�e. Von Spanien aus gelangten dann die Apotheken nach Italien, wo sie sich besonders in Salerno gro�en Ruf erwarben. Im 13. und 14. Jahrh. entstanden die ersten Apotheken in Frankreich, England und Deutschland, hier namentlich in Prenzlau (1303), Augsburg, Prag (1342), N�rnberg (1404), Leipzig (1409) und Berlin (1488). Alle diese Apotheken standen unter strenger Aussicht und waren an gesetzliche Vorschriften (Dispensatorien) gebunden. Die ersten pharmazeutischen Lehrb�cher lieferten Paracelsus 1530 und Tabern�montanus 1588. Bis in die neueste Zeit war der wissenschaftliche Sinn in den pharmazeutischen Kreisen vorherrschend, und viele der ber�hmtesten Namen der neuern Naturwissenschaft, namentlich unter den Chemikern, entstammen der Pharmazie. Vgl. Philippe, Geschichte der Apotheker (Jena 1854); B�ttger: Die Apothekengesetzgebung des Deutschen Reiches etc. (Berl. 1880, 2 Bde.), Geschichte der deutschen Apothekenreformbewegung (das. 1882); Die reichsgesetzlichen Bestimmungen �ber den Verkehr mit Arzneimitteln (4. Aufl., das. 1902), Die preu�ischen Apothekengesetze (2. Aufl., das. 1898); Pistor, Das Apothekenwesen in Preu�en (das. 1894); Salzmann, Der Dienst des deutschen Apothekers im Heer und in der Marine (2. Aufl., das. 1900); O. Mei�ner, Die kaiserl. Verordnung, betr. den Verkehr mit Arzneimitteln (Leipz. 1890); Staas, Die Apothekergesetze nach deutschem Reichs- und preu�ischem Landesrecht (5. Aufl., Berl. 1891); Springfeld, Die Errichtung von Apotheken in Preu�en (das. 1902); Vom�čka, �sterreichische Apothekergesetze (3. Aufl., Wien 1897); Daimer, Kompendium der �sterreichischen Apothekergesetze (das. 1897); Peters, Anweisung zur Hausapotheke der Laien (3. Aufl., Berl. 1897); Maubach, Das Charakterbild des Apothekers in der Literatur (das. 1898). Zeitschriften: »Apothekerzeitung« (Berl., seit 1886); »Pharmazeutische Zeitung« (das., seit 1856); »Pharmazeutische Wochenschrift« (das., seit 1883); »Berichte der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft« (das., seit 1890); »Zeitschrift des Allgemeinen �sterreichischen Apothekervereins« (Wien, seit 1863); »Pharmazeutischer Reformer« (das., seit 1896); »Pharmazeutische Zentralhalle« (Berl., seit 1860); »Archiv der Pharmazie« (hrsg. vom Deutschen Apothekerverein, das.). Vgl. auch Literatur bei Art. »Pharmazie«.

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 628-630.
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628 | 629 | 630
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