[85] Doktor (lat. Doctor, »Lehrer«), bei den Alten allgemein im Wortsinne gebraucht; heute besondere Bezeichnung einer akademischen W�rde. Im Mittelalter, seit dem 12. Jahrh., kam das Wort (mit besonderm Epitheton) als Ehrentitel f�r Gelehrte auf. So hie� z. B. D. angelicus Thomas von Aquino, D. christianissimus Johannes von Gerson, D. evangelicus John Wiclif, D. exstaticus Johannes Ruysbroek, D. fundatissimus �gidius Colonna, D. illuminatus Raimundus Lullus, D. invincibilis (singularis) Wilh. von Occam, D. irrefragabilis Alexander von Hales, D. mellifluus Bernhard von Clairvaux, D. mirabilis Roger Bacon, D. palatinus Peter Ab�lard, D. profundus Thomas von Bradwardina, D. resolutissimus Durandus von St.-Pour�ain, D. seraphicus Johann Bonaventura, D. subtilis Duns Scotus, D. universalis Alanus ab Insulis (von Lille) und Thomas von Aquino. Doctor ist in der katholischen Kirche auch ein Ehrentitel der Kirchenv�ter (Doctores ecclesiae); Doctores concilii, auf den gro�en Kirchenversammlungen die Gelehrten (Doktoren), die als Beisitzer nur beratende Stimme haben. Doctores gemarici sind die j�dischen Gelehrten, die in der Gemara, dagegen Doctores mischniaci diejenigen, die in der Mischna erw�hnt werden; beide hei�en Doctores thalmudiaci. Im Volksmund ist D. oft ohne weiteres der Arzt (Dr. medicinae).
Zu einer akademischen W�rde wurde der Doktorat w�hrend des 12. Jahrh. an den st�dtischen Rechtsschulen Italiens, namentlich in Bologna seit der sogen. Habita, der Authentika Friedrichs I. vom November 1158. Doch unterschied man anfangs unter den scolares nur discentes et docentes und nannte diese doctores legum, magistri oder professores. Ein Erla� des Papstes Honorius III. von 1219 setzt voraus, da� die licentia docendi schon damals regelm��ig durch eine Pr�fung erlangt ward. Diese behielt in Bologna der Papst dem Archidiakon des dortigen Domkapitels vor. Bald darauf erteilten die P�pste den Universit�ten das Recht, auch Doctores canonum et decretalium (Lehrer des kanonischen Rechts) zu ernennen oder zu promovieren; sp�ter schmolzen beide Titel in den einen: D. utriusque juris (D. beider Rechte, d.h. des geistlichen und des weltlichen Rechts) zusammen. 1231 wurde zu Paris das Promotionswesen neu geordnet und damit der sp�tere Universit�tsgebrauch begr�ndet. Nur wer zuvor Bakkalar und Lizentiat geworden, erlangte fortan die h�chste akademische W�rde (summos honores) des Doktorats. Die Titel D. und Magister wurden lange gleichbedeutend gebraucht; allm�hlich (16. Jahrh.) blieb dieser der Artisten- oder philosophischen Fakult�t, jener den drei sogen. obern Fakult�ten vorbehalten. L�ngst jedoch wird an deutschen Universit�ten die Doktorw�rde ebenfalls und zwar am zahlreichsten von der vierten Fakult�t verliehen. In Deutschland durften fr�her auch die kaiserlichen Pfalzgrafen Doktordiplome mit angeh�ngtem Siegel in einer Kapsel (bulla) erteilen; doch waren solche Doctores bullati minder angesehen als die schulgerechten Doktoren (rite promoti). Nach Reichsgesetz rangierten ehedem die deutschen Doktoren vor den blo� Adligen mit den Rittern. Zur Erlangung der Doktorw�rde ist in der Regel die Ausarbeitung einer Dissertation (s. d.) und die Ablegung einer Pr�fung auf dem wissenschaftlichen Gebiet, f�r das der Doktorat erteilt werden soll, erforderlich. Die an vielen Universit�ten noch �bliche Doktordisputation ist neuerdings fast zur F�rmlichkeit herabgesunken. Andre Gebr�uche, wie die Verleihung des Doktorhutes, sind ganz abgekommen. Die ganze F�rmlichkeit beschr�nkt sich jetzt fast nur noch auf eine kurze Anrede des Dekans (Promotors), einen Handschlag und die Ausfertigung einer Urkunde (Doktordiplom) �ber die erteilte W�rde. F�r besondere Verdienste um die Wissenschaft wird die Doktorw�rde, namentlich bei gr��ern akademischen Festen (Jubil�en etc.), auch ohne vorangegangene Pr�fung honoris causa (»ehrenhalber«) erteilt. Einzelne durch gelehrtes Wissen hervorragende Frauen sind von jeher mit dem Doktortitel bedacht worden; infolge der neuern Bestrebungen (s. Frauenfrage) ist der Fall, da� Frauen[85] nach vorangegangenem Universit�tsstudium das Doktorexamen ablegen, jetzt weniger selten. In Frankreich ist der Doktortitel wenig im Gebrauch; hohes Ansehen behauptet er in England, wo auch die beiden untern Stufen des Bakkalaureats und der Lizenz im alten Sinne sich erhalten haben. Die in England gebr�uchlichen Abk�rzungen, die dem Namen regelm��ig nach gestellt werden, sind: D. D., Doctor of Divinity (D. Divinitatis), D. der Theologie; D. (C.) L. Doctor of (civil oder canon) Law, und L. L. D., Doctor juris (D. Legum oder Legum D.); M. D., Medicinae Doctor; D. M., Doctor of Music (D. Musicae). Auch bei uns unterscheidet man wohl die Abk�rzungen D. (D. der Theologie), Dr. phil. (D. der Philosophie, bez. Philologie), Dr. jur. u. Dr. med.
In Deutschland wird der Doktortitel in der evangelischen Theologie fast nur ehrenhalber verliehen, wogegen sich allein in der theologischen Fakult�t der Titel des Lizentiaten erhalten hat. F�r �rzte ist nicht durch Gesetz, aber durch Herkommen der Doktortitel zum allgemeinen Erfordernis geworden. Im �brigen ist er nur f�r die akademische Laufbahn als Vorbedingung unerl��lich und verleiht f�r den Staatsdienst etc. nirgend mehr Berechtigungen. An manchen deutschen Universit�ten war es im Laufe der Zeit �blich geworden, Doktoren, namentlich der Philosophie, auch in absentia (ohne Pr�fung, auf eingesandte, oft nicht einmal gedruckte Dissertation hin) zu ernennen. Auf Anregung von Th. Mommsen sind in den letzten Jahrzehnten jedoch die betreffenden Statuten allerw�rts versch�rft worden (s. auch den folgenden Artikel). Vgl. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universit�ten (Bd. 1, Stuttg. 1888); Denifle, Entstehung der Universit�ten des Mittelalters (Berl. 1885); Baumgart, Grunds�tze und Bedingungen der Erteilung der Doktorw�rde bei allen Fakult�ten der Universit�ten des Deutschen Reiches (5. Aufl., das. 1898); f�r die neuern Statuten einzelner Universit�ten: »Hochschulnachrichten« (Monatsschrift, hrsg. von P. v. Salvisberg, M�nch., seit 1890).
Meyers-1905: Faust, Doktor Georg · Doktor-Ingenieur · Bernkasteler Doktor