Siegel

[441] Siegel (lat. sigillum, Diminutiv von signum), der Abdruck eines vertieft gravierten Stempels, urspr�nglich nur dem Zwecke dienend, einer Urkunde Glaubw�rdigkeit und �ffentliche Kraft zu verleihen. Heute werden die nichtamtlichen S. nur noch zum Verschlie�en von Schriftst�cken behufs Sicherung des Briefgeheimnisses oder bei Geldbriefen verwendet. Die Siegelstempel bestehen aus Metall oder Stein, auch hornartigen Materien und hartem Holz, die Abdr�cke meist aus Wachs, in der neuern Zeit aus Siegellack (seit etwa 1560) und Oblaten. Eine zweite Art der S., aus Metall (Blei und Gold) bestehend, werden Bullen (s. d.) genannt. Die S. sind entweder rund, oval, spitzoval (parabolisch), oder dreieckig (schildf�rmig), selten herzf�rmig, vier-, f�nf- oder mehreckig. Der parabolischen Form bedienten sich feil dem 12. Jahrh., anfangs selten, im 13. Jahrh. �berwiegend, sp�ter wieder abnehmend, die Geistlichkeit und die Kirchen; sie kommt aber auch bei Siegeln weltlicher Herren, von Z�nften, h�ufiger bei Damensiegeln des 13. Jahrh. vor und deutet hier in der Regel auf ein Devotionsverh�ltnis zu irgend einem Heiligen. Zweiseitige S., die besonders von den Kaisern gebraucht wurden, nennt man M�nzsiegel. Damit verwandt sind die Sekrete (Geheimsiegel), auch Kontra- (Gegen-) oder R�cksiegel genannt, die, betr�chtlich kleiner als die Hauptsiegel, zum Kontrasignieren der letztern gebraucht wurden und erst im 15. Jahrh den Wert als selbst�ndige authentische S. erhielten. Die S. wurden bis ins 12 Jahrh. ausgedr�ckt; sp�ter stellte man isolierte Abdr�cke in Wachsschalen her, die mit Hilfe von Schn�ren oder Pergamentstreifen an die Urkunde angeh�ngt und sp�ter auch in Metall- oder Holzkapseln zu besserer Erhaltung eingeschlossen wurden. Nach Einf�hrung des Lumpenpapiers als Schreibstoff f�r Urkunden fing man wieder an, die S. auszudr�cken. Die S. werden eingeteilt in Bild-, Portr�t-, Wappen- und Schriftsiegel. Die Bildsiegel enthalten Darstellungen aus der Geschichte oder von Geb�uden, Schiffen u. dgl. Die Portr�tsiegel geben das Bild des Siegelinhabers: hierher geh�ren namentlich die Majest�tssiegel der Kaiser und K�nige, die Reitersiegel der F�rsten und gro�en Herren. Auch Universit�ten f�hren in ihren Siegeln die Bildnisse ihrer Stifter. Die Wappensiegel werden von der zweiten H�lfte des 12. Jahrh. an �blich. Die S. wurden stets sorgf�ltig bewahrt, weil sie ohne andre Legalisierungsmittel hinreichten, einer Urkunde �ber die wichtigsten Rechtsgesch�fte �ffentliche Kraft zu geben. Ging trotzdem ein S. verloren, so wurde der Schuldige wohl an Leib und Leben gestraft. In allen F�llen wirklicher oder bef�rchteter F�lschung eines �ffentlichen Siegels wurde es sofort au�er Gebrauch gesetzt oder mit einem augenf�lligen Beizeichen (s. d.) versehen. F�lscher von Siegeln wurden im Mittelalter lebendig in einem Kessel gesotten. S., die verm�ge der Umschrift auf eine Person lauteten, wurden nach deren Too vernichtet; die S. der Kaiser wurden nach der Leichenfeier in der Kirche unter Leitung des Kanzlers �ffentlich zerschlagen. Siegelf�hig in eigner Sache w. ir im Mittelalter jeder, der Rechtsgesch�fte g�ltig abschlie�en konnte. Als durch die Neuerung, die S. zum Verschlie�en rechtlich wertloser Sendschreiben zu verwenden, der Gebrauch der S. verallgemeinert worden war, wurden sie entwertet, was der Gesetzgebung Veranlassung gab, die Siegelm��igkeit analog dem Wappenrecht als ein Privilegium bevorzugter St�nde zu konstituieren (s. Adel, S. 100). In der Gegenwart hat das S. der Privatpersonen jeden Wert in der Rechtspflege verloren, und durch die gummierten Briefumschl�ge sind sie vollends �berfl�ssig, zum Teil auch durch zweifarbige Pressungen in Papier (Siegeloblaten) ersetzt worden. Trotzdem hat im letzten Drittel des 19. Jahrh. die Nachfrage nach stilvollen, k�nstlerisch ausgef�hrten Siegelstempeln sehr zugenommen, ist aber gegenw�rtig wieder im Abnehmen begriffen. Die gr��ten Verdienste um die Hebung des Gewerbes der Siegelstecherei hat der M�nchener Stempelschneider Birnb�ck (gest. 1870). Auch in Berlin und Wien gibt es Graveure von k�nstlerischem Ruf. – Die Lehre von der Kenntnis der Urkundensiegel wurde von Joh. Mich. Heineccius (1709) begr�ndet; an ihn reihen sich: Joh. v. Heumann, der ihr den griechischen Namen Sphragistik gab, Ph. W. Gercken (1786), Gatterer, v. Ledebur (1830), F. K. F�rst von Hohenlohe-Waldenburg u. a. Vgl. Grotefend, �ber Sphragistik (Bresl. 1875); Seyler, Abri� der Sphragistik (Wien 1884) und Geschichte der S. (Leipz. 1894); Weiteres beim Artikel »St�dtewappen«. – Die unbefugte und vors�tzliche Erbrechung, Abl�sung oder Besch�digung eines amtlichen, von einem Beamten an Sachen angelegten Siegels, wird nach � 136 des Reichsstrafgesetzbuches mit Gef�ngnis bis zu 6 Monaten bestraft. Mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder Hast wird nach � 360, Ziff. 4 und 5, bestraft, wer amtliche S. unbefugt anfertigt oder an einen andern als an die Beh�rde verabfolgt. Mit Gef�ngnis bis zu 2 Jahren wird endlich bestraft (� 151), wer zur Anfertigung von Metall- oder Papiergeld dienliche S. zum Zweck eines M�nzverbrechens (s. d.) anschafft oder anfertigt. S. auch Versiegelung.

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 441.
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