[311] Wahrnehmung, die durch die Sinne vermittelte Auffassung eines au�erhalb des Bewu�tseins Vorhandenen. Je nach dem vermittelnden Sinn unterscheidet man Gesichts-, Tast-, Geh�rswahrnehmungen; die chemischen Sinne (Geruch und Geschmack) wirken wegen des rein subjektiven Charakters der betreffenden Empfindungen nur in sekund�rer Weise (die h�hern Sinne unterst�tzend) bei der W. mit; ebenso ist die durch die in den K�rperorganen endigenden Gef�hlsnerven vermittelte W. der Zust�nde und Vorg�nge in unserm eignen Leibe (abgesehen von der W. unsrer eignen Bewegungen, deren Zustandekommen aber noch nicht v�llig aufgekl�rt ist) im ganzen nur sehr unvollkommen. Der W. des im Raume Gegebenen als �u�erer stellt man bisweilen die Auffassung unsrer eignen Seelenzust�nde als innere W. gegen�ber, doch ist dies insofern unzutreffend, als es zum Wesen der »innern« Erscheinungen geh�rt, da� wir uns ihrer bewu�t sind, und somit hier W. und Wahrgenommenes nicht zu trennen sind. Der Gesamtvorgang der W. setzt sich aus physikalischen, physiologischen und psychologischen (psychophysischen) Teilvorg�ngen zusammen. Zun�chst mu� sich durch eine Reihe physikalischer Vermittelungen (�therwellen beim Sehen, Schallwellen beim H�ren, Druck�bertragung beim Tastsinn) eine vom Wahrnehmungsobjekt ausgehende Wirkung bis zu den Sinnesorganen fortpflanzen; sodann wird durch eine weitere Reihe unbekannter physiologischer Zwischenglieder der Reizungszustand von den Enden der Sinnesnerven auf die Sinneszentren im Gehirn �bertragen; endlich gehen aus den mit der Reizung der letztern in gesetzm��iger Weise verkn�pften, an sich einfachen und zusammenhangslosen Empfindungen durch psychologische Prozesse die stets zusammengesetzten Wahrnehmungsbilder hervor. Der wichtigste dieser Prozesse ist der, durch den die sinnlichen Eindr�cke in unserm Bewu�tsein in eine r�umliche Ordnung gebracht, zur Vorstellung eines r�umlich ausgedehnten Objektes verbunden werden (s. Raumanschauung); wo dies, wie bei den Klangvorstellungen, nicht der Fall ist, findet immerhin wenigstens eine Verschmelzung der Eindr�cke zu einem einheitlichen Ganzen (Klang, Akkord etc.) statt. Weiter verbinden sich, durch Assimilation, mit dem eigentlichen Wahrnehmungsinhalt immer zugleich in mehr oder minder inniger Weise reproduzierte Vorstellungen (Erinnerungsbilder). Soz. B. glauben oft verschiedene Beobachter unter gleichen Umst�nden ganz verschiedene Gegenst�nde wahrzunehmen, indem sich mit dem f�r alle gleichen Gesichts- oder Geh�rseindruck verschiedene Vorstellungen verbinden; ein Ding erscheint uns in der W. als bekannt (einer bestimmten Klasse angeh�rig) oder unbekannt, je nachdem sich mit dem Wahrnehmungsbild die Erinnerung[311] fr�her wahrgenommener �hnlicher Gegenst�nde verkn�pft oder nicht etc. Endlich f�llt noch bei der W. die verschiedene Richtung und Spannung der Aufmerksamkeit ins Gewicht, die bald diesen, bald jenen Bestandteil des Wahrnehmungsinhalts in den Vordergrund treten, bez. scheinbar ganz verschwinden l��t. Aus alledem geht hervor, da� es eine W. im Sinn einer blo� passiven Aufnahme �u�erer Eindr�cke �berhaupt nicht gibt, sondern da� stets die Seele aktiv bei ihr mit beteiligt ist. Es ist psychologisch unm�glich, alle »subjektiven Zutaten« vom Wahrnehmungsinhalt auszuschlie�en, um das rein Gegebene zu ermitteln, wie dies der Empirismus (s. d.) verlangt, und demgem�� eine Grenze, wo das Wahrnehmen aufh�rt und die Verarbeitung des Wahrnehmungsinhalts (das Denken) beginnt, nicht zu ziehen. Wenn wir trotzdem viele vermeintliche Wahrnehmungen, als auf Sinnest�uschung, Einbildung willk�rlicher Deutung des Tatbestandes beruhend, verwerfen und uns bem�hen, den objektiven Inhalt der W. festzustellen, so beruht dies darauf, da� wir durch Vergleichung der Wahrnehmungen verschiedener Subjekte sowie durch die Kenntnis der Funktionsweise der Sinnesapparate und der psychologischen Bedingungen des Wahrnehmens in den Stand gesetzt werden, die zuf�lligen individuellen Modifikationen der Wahrnehmungsbilder auszugleichen und die konstanten (weil durch den Wahrnehmungsproze� selbst bedingten) Fehler in Rechnung zu setzen, wie dies bei der wissenschaftlichen Verwertung von Wahrnehmungsdaten stets geschieht. Die Erw�gung, da� bei der W. niemals der Gegenstand selbst, sondern nur sein Vorstellungsbild dem Bewu�tsein unmittelbar gegeben ist, dr�ngt die Frage auf, wie wir �berhaupt dazu kommen, dieses auf einen au�er uns vorhandenen Gegenstand zu beziehen, und mit welchem Rechte und in welchem Umfange wir eine �bereinstimmung zwischen der (von subjektiven Fehlern befreiten) W. und dem Gegenstand voraussetzen d�rfen (erkenntnistheoretisches Problem der W. im Unterschied vom psychologischen). In ersterer Hinsicht nehmen einige (nach Kant) eine urspr�ngliche, den subjektiven Wahrnehmungsinhalt objektivierende Verstandesfunktion an, andre (Schopenhauer, Helmholtz) einen unbewu�ten Schlu� vom Wahrnehmungsbild (als der Wirkung) auf den Gegenstand (als die Ursache), noch andre betrachten die Unabh�ngigkeit des Wahrnehmungsinhalts vom Willen als entscheidend. In letzterer Hinsicht sieht die theoretische Naturwissenschaft zwar die r�umlich-zeitlichen, nicht aber die qualitativen Bestimmungen des Wahrnehmungsinhalts als �bereinstimmend mit der �u�ern Wirklichkeit an (vgl. Qualit�t), behauptet der spekulative Realismus (s. d.) die v�llige Ungleichartigkeit beider, w�hrend f�r den Idealismus (s. d.), der unser Erkennen auf die Vorstellungswelt beschr�nkt, die ganze Frage hinf�llig wird. Vgl. Schwarz, Das Wahrnehmungsproblem vom Standpunkte des Physikers, des Physiologen und des Philosophen (Leipz. 1892); Enoch, Der Begriff der W. (Hamb. 1890); Uphues, W. und Empfindung (Leipz. 1888); Dilthey, Der Glaube an die Realit�t der Au�enwelt (Sitzungsbericht der Berliner Akademie, 1890); Mach, Die Analyse der Empfindungen (5. Aufl., Jena 1906).