[661] Petrarca, Francesco, der gr��te lyrische Dichter Italiens und zugleich einer der gr��ten Gelehrten seiner Zeit, wurde 20. Juli 1304 in Arezzo geboren und starb 18. Juli 1374 in Arqu�. Sein Vater Petracco (d.h. Pietro) di Parenzo, welchen Namen der Dichter zu P. latinisierte, ein Notar aus Florenz, war 1302 zugleich mit Dante u.a. verbannt worden und begab sich nach mehrj�hrigem Aufenthalt in Arezzo und in Pisa 1312 nach Avignon an den p�pstlichen Hof, schickte aber seine Familie nach dem benachbarten Carpentras, wo der junge P. seine erste Ausbildung erhielt. Seit 1319 studierte er dem Wunsche seines Vaters gem�� in Montpellier und seit 1323 in Bologna Rechtswissenschaft. Nach dem Tode seiner Eltern (1326) empfing er in Avignon die niedern priesterlichen Weihen. Hier machte er 1330 die Bekanntschaft[661] der reichen Familie Colonna und trat in die Dienste des Kardinals Giovanni. Hier sah er auch 1327 zum erstenmal die Geliebte, die er unter dem Namen Laura (s. d.) feiert. Durch gelehrte Studien, h�fische Zerstreuungen und Reisen, auf denen er auch Deutschland ber�hrte (1333), suchte P. seiner Leidenschaft Herr zu werden. 1336 besuchte er Italien und betrat 5. Jan. 1337 zum erstenmal Rom. Nach Frankreich zur�ckgekehrt, lebte er mehrere Jahre in der Stille von Vaucluse bei Avignon seinen Studien. Viele seiner sch�nsten Gedichte an Laura entstanden hier, auch der gr��te Teil seiner �brigen Werke wurde hier geschrieben oder wenigstens begonnen. Seine Poesien erwarben ihm bald den h�chsten Ruhm, und am ersten Ostertage (8. April) 1341 empfing er, nachdem er sich in Neapel einer dreit�gigen Pr�fung durch K�nig Robert unterzogen hatte, auf dem Kapitol in Rom die Dichterkrone (vgl. A. Hortis, Scritti inediti di F. P., Triest 1874). Von Ende Mai 1342 bis Anfang September 1343 hielt sich P. teils in Avignon, teils in Vaucluse auf und schrieb in diesem Zeitraum eins seiner bedeutendsten Werke, gew�hnlich »De contemptu mundi libri III« �berschrieben, von ihm selbst aber »Secretum suum« genannt. Durch den Griechen Barlaam lernte er damals die Elemente der griechischen Sprache. Die n�chsten zehn Jahre lebte er abwechselnd in Oberitalien und Frankreich. Im September 1343 sandte ihn der Papst nach Neapel, um die Oberhoheitsrechte des heiligen Stuhles zu wahren. Die ihm 1346 angetragene W�rde eines apostolischen Sekret�rs schlug er aus. Die Nachricht von der Erhebung des r�mischen Volkes gegen seine adligen Tyrannen und von der Ernennung Cola Rienzis zum Volkstribun (1347) begeisterte ihn zu seinem ber�hmten Brief an den letztern und an das r�mische Volk, der aber sein gutes Einvernehmen mit der Familie Colonna tr�bte. Ende des Jahres brach P. selbst nach Rom auf. Als er aber unterwegs die �ble Wendung der Dinge in Rom erfahren hatte, ging er nach Parma, wo ihn 19. Mai 1348 die Nachricht vom Tode Lauras traf, und in andre St�dte. Ende 1350 reiste er zum Jubil�um nach Rom und schlo� unterwegs in Florenz mit Boccaccio innige Freundschaft. Dieser �berbrachte ihm nach Padua 6. April 1351 ein Schreiben der Republik Florenz, das ihn einlud, in Florenz an der neugestifteten Universit�t zu wirken; doch er lehnte ab. Im Sommer 1351 kehrte er nach Vaucluse zur�ck, verlie� es aber 1353 f�r immer und verbrachte sein Lebensende in Oberitalien. Zun�chst lebte er acht Jahre in und bei Mailand im engsten Verh�ltnis mit den Visconti. Auch Kaiser Karl IV. empfing ihn bei seinem Besuch in Italien (1354) �beraus freundlich und unterhielt sich tagelang mit ihm. Ger�chte, da� dieser einen neuen Zug nach Italien beabsichtige, veranla�ten 1356 eine Sendung Petrarcas nach Prag, wo der Kaiser ihn zum Pfalzgrafen machte. 1360 war P. als Gesandter bei Johann von Frankreich und schlug dessen dringende Einladungen, bei ihm zu bleiben, aus, wie �hnliche Antr�ge des Kaisers. 1361 floh er vor der Pest nach Padua und verheiratete hier seine Tochter (P. hatte zwei Kinder von einer uns unbekannten Mutter) an einen Mail�nder Edelmann, Franceschino da Brossano. 1362 begab er sich nach Venedig, wo er seine B�cher einer zu bildenden �ffentlichen Bibliothek der Republik vermachte und daf�r einen Palast als Wohnung bekam. Seit 1368 lebte er meist abwechselnd in Padua und dem Dorfe Arqu� in der Familie seiner Tochter. Hier starb er, vom Schlage getroffen, in seiner Bibliothek �ber einen Folianten hingebeugt. Sein Schwiegersohn lie� ihm ein Denkmal errichten, das 1567 mit des Dichters bronzener B�ste geziert ward. 1818 ward eine Marmorb�ste Petrarcas von Rinaldo, Canovas Sch�ler, in der Kathedrale von Padua aufgestellt; eine Marmorstatue des Dichters (von Leoni) befindet sich in Florenz. Sein Bildnis s. Tafel »Klassiker der Weltliteratur III« (in Bd. 12). Sein 500j�hriger Todestag und sein 600j�hriger Geburtstag wurden 1874 und 1904 in ganz Italien feierlich begangen.
Die meisten Schriften Petrarcas sind lateinisch. In Versen verfa�te er 1) die »Africa« (1342 vollendet), ein episches Gedicht in Hexametern �ber die Taten des Scipio Africanus Major in 9 B�chern, l�ckenhaft �berliefert. Als Epos mi�gl�ckt, enth�lt sie doch gro�e poetische Sch�nheiten, besonders im f�nften Buche (beste Ausgabe von Corradini, Padua 1874). 2) Das »Carmen Bucolicum«, 12 Eklogen (13461356), Nachahmungen Vergils mit zahlreichen pers�nlichen und politischen Anspielungen, daher literarhistorisch wichtig, aber selten dichterisch wertvoll (8 und 11; beste Ausgabe von Rossetti, »Francisci Petrarcae poemata minora«, Bd. 1, Mail. 1829). 3) Die »Epistolae metricae«, mit Ereignissen aus des Verfassers Leben, anmutigen Naturschilderungen, Moralisationen etc. (beste Ausgabe von Rossetti a. a. O., Bd. 2 und 3; deutsch von Friedersdorff, Halle 1903). Die Moraltraktate zeigen mittelalterlichen Charakter. Zu nennen sind 1) die drei Dialoge »De contemptu mundi« (1342), worin P. uns seine Seele offenbaren wollte. 2) »De vita solitaria« (134656), ein Lob der Einsamkeit. 3) »De remediis utriusque fortunae« (135866), von schroffer asketischer Weltanschauung. Von historischen Schriften erw�hnen wir 1) die vier B�cher »Rerum memorandarum«, kurze historische, anekdotenhafte und legend�re Erz�hlungen, moralische und philosophische Argumente zu erl�utern. 2) »De viris illustribus«, die Lebensbeschreibung von 31 ber�hmten R�mern von Romulus bis Julius C�sar. Neue Ausgabe von Razzolini (Bologna 1874 und 1879). Unter allen lateinischen Werken Petrarcas nehmen die Briefe an Zahl und Umfang wie an Wichtigkeit f�r seine Biographie und die Geschichte seiner Zeit den ersten Rang ein. Freilich zeigen sie nicht den Charakter der Intimit�t, der sonst an Briefwechseln das Interessanteste ist: sie waren f�r P. eine literarische Gattung. Sie zerfallen in »Rerum familiarium«, »Rerum senilium«, »Rerum variarum« und »Sine titulo«. Die »Familiares« und »Variae« vorz�glich herausgegeben von Fracassetti (Flor. 1859 bis 1863, 3 Bde.); derselbe �bersetzte sie mangelhaft, gab aber einen vorz�glichen Kommentar (das. 18611865, 5 Bde.); auch �bersetzte er die »Seniles« (das. 1869, 2 Bde.). Diese erschienen lateinisch Basel 1554, die »Sine titulo« Stra�burg 1555.
Den Namen P. haben aber seine italienischen Gedichte der Nachwelt �berliefert, sein Liederbuch (»Canzoniere« oder »Rime« bezeichnet), das seine Liebesgedichte und einige andre Lieder enth�lt und f�r die italienische Lyrik fast ausschlie�lich tonangebend wie �berhaupt f�r alle Zeiten ein poetischer Kanon der Liebesschw�rmerei geworden ist. Da� die provenzalische Poesie und �ltere italienische Dichter auf Petrarcas Lyrik Einflu� gehabt haben, ist au�er Zweifel; allein er bewahrt sich bewu�t die gr��te Originalit�t. Ohne Abstraktionen und Personifikationen wei� er das innerste Seelenleben zu schildern, wie es nie zuvor geschehen war. Anmutige, klare und reine Sprache, Reichtum und Mannigfaltigkeit der Gedanken, des [662] Ausdrucks und der Bilder, Geschmack, seines Gef�hl f�r den Wohllaut und vor allem Zartheit zeichnen P. vor allen Liebesdichtern seiner Nation aus. Man vermi�t jedoch an ihm die Innigkeit, die Tiefe des Gef�hls, die Glut der Leidenschaft, die eigentliche wahre und starke Liebe. Er ist �berall sinnreich, scharfsinnig, geistreich, aber nirgends gl�hend und tief; er gef�llt sich oft in weit hergeholten Bildern, in schillernden Gedanken, in Witz, Reflexionen und schwierigen Reimen. Wenn uns in Dante das Bild der m�nnlichsten Entschiedenheit entgegentritt, so finden wir bei P. »ein weibliches Gem�t, das an einer ewigen Verstimmung leidet, in der Gegenwart sich nie befriedigt f�hlt, sich nach der entschwundenen Zeit als nach einem unwiederbringlichen Gl�ck sehnt und seinen Schmerz mit woll�stigem Selbstgenu� in Liedern ausstr�mt, die bei aller Sch�nheit das Gef�hl zu einem Spiel der Reflexion machen«. Das Sonett ist seitdem die popul�rste poetische Form Italiens geblieben. Das Vorz�glichste im »Canzoniere« sind die Kanzonen, namentlich die, welche Beziehungen auf Rom und die politischen Zust�nde Italiens �berhaupt enthalten, wo der Dichter der Liebe nicht selten eine wunderbar z�rnende Kraft entfaltet. Ein Werk seines h�hern Alters sind die allegorisch-moralischen »Trionfi«, auf deren Gestaltung Dante offenbaren Einflu� hatte, und die den Gang des menschlichen Schicksals und die Eitelkeit alles Irdischen darstellen; sie sind aber unvollendet. (Kritische Ausgabe von Appel: »Die Triumphe Petrarcas«, Halle 1901, Textausgabe, das. 1902.) Eine Anzahl Gedichte Petrarcas, die er nicht in den »Canzoniere« aufnahm, nennt man »Estravaganti«. Die italienischen Gedichte des P., namentlich der »Canzoniere«, haben unz�hlige Auflagen erlebt; neue Ausgaben nach der aufgefundenen Originalhandschrift sind die von Mestica (Flor. 1896), Carducci Ferrari (das. 1899), Salvo Cozzo (das. 1904), Modigliani (Rom 1905, diplomatischer Abdruck). Kommentare der Gedichte in fast jeder Ausgabe; hervorzuheben die »Rime sopra argomenti storici, morali e diversi« von Carducci (Livorno 1876). Der »Canzoniere« ist in die meisten europ�ischen Sprachen �bersetzt worden, ins Deutsche unter andern von K. F�rster (3. Aufl., Leipz. 1851), Kekule und Biegeleben (Stuttg. 1844) und Krigar (2. Aufl., Hannov. 1866); Sonette und Kanzonen in Auswahl von Bettina Jacobson (Leipz. 1904); einzelne Gedichte von Gries, A. W. Schlegel, Daniel, J. H�bner u.a. Gesamtausgaben der Werke Petrarcas erschienen in Basel 1496, 1554, Venedig 1501, 1503, 1554, 1581 s. Einige bis dahin ungedruckte lateinische Schriften Petrarcas hat A. Hortis u. d. T.: »Scritti inediti di F. P.« (Triest 1874) herausgegeben.
Nicht geringere Verdienste als durch seine eignen lateinischen Schriften erwarb sich P. durch seine Bem�hungen um die Wiedererweckung und Kenntnis der alten, namentlich der r�mischen Literatur, und mit Recht wird er daher als der erste und einer der bedeutendsten unter den Vorl�ufern der Humanisten des 15. und 16. Jahrh. betrachtet. Seine h�ufigen Reisen benutzte er stets, Manuskripte zu sammeln oder zu kopieren. So verdankt man ihm unter anderm die Wiederauffindung mehrerer Schriften Ciceros, Quintilians u.a. �ber die meisten Vorurteile seiner Zeit war er erhaben; ja selbst in religi�sen Dingen urteilte er, obgleich ein strenger und sogar asketischer Katholik, oft �berraschend unbefangen.
Die Literatur �ber P. ist �beraus reich. Zur Bibliographie vgl. Marsand, Biblioteca petrarchesca (Mail. 1826); Hortis, Catalogo delle opere di F. P. esistenti nella Petrarchesca Rossettiana (Triest 1874); Ferrazzi, Bibliografia petrarchesca (Bassano 1877); Fiske, Hand-list of P. editions in the Florentine public libraries (Flor. 1886); Suttina, Bibliografia delle opere a stampa intorno a F. P. (Tur. 1904); Calvi, Bibliografia analitica petrarchesca 18771904 (Rom 1904). Alle �ltern Biographien (31) jetzt bei Solerti, Le vite di Dante, P. e Boccaccio (Mail. 1904); die neuesten sind von L. Geiger (Berl. 1874), G. K�rting (Leipz. 1878), A. Bartoli (Bd. 7 der »Storia della letteratura italiana«, Flor. 1884), Penco (Siena 1895), Finzi (Flor. 1900) und A. de Gubernatis (Mail. 1905). Vgl. auch S�derhjelm, P. in der deutschen Dichtung (Helsingfors 1886); Appel, Die Berliner Handschriften der »Rime« Petrarcas (Berl. 1886) und Zur Entwickelung italienischer Dichtungen Petrarcas (Halle 1891); Pakscher, Chronologie der Gedichte Petrarcas (Berl. 1887); Zumbini, Studi sul P. (Flor. 1895); Cesareo, Su le poesie volgari del P. (Rocca S. Casciano 1898) und die von Passerini und Biagi herausgegebene »Biblioteca Petrarchesca« (Flor., seit 1901, 3 Bde.); Prince d'Essling und E. M�ntz, P�trarque, ses �tudes d'art, son influence sur les artistes, etc. (Par. 1901); Borghesi, P. and his influence on English literature (Bologna 1905). Petrarcas Verdienste um die klassischen Studien sind am besten gew�rdigt von G. Voigt in dem Werk »Die Wiederbelebung des klassischen Altertums« (3. Aufl., Berl. 1893) und Nolhac, La biblioth�que de Fulvio Orsini (Par. 1887) und P�trarque et l'humanisme (das. 1892).
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