Mittelamerika

[916] Mittelamerika, das �bergangsland zwischen Nord- und S�damerika (s. diese Artikel und Karte »Westindien und Mittelamerika«), das sich in der Richtung von NW. nach SO. von der Landenge von Tehuantepec bis zur Landenge von Panama erstreckt, den Stillen Ozean vom Atlantischen (Mexikanischen und Karibischen Meer) scheidet und in seinen geologischen und morphologischen Verh�ltnissen von Nord- und S�damerika erheblich abweicht, hat ein Areal von 775,000 qkm und 5,3 Mill. Einw. Bei Panama auf 50 km, in Costarica teilweise auf 75 km, am Hondurasgolf auf 260 km und bei Tehuantepec auf 220 km verschm�lert, ist es auch in Honduras nur 520 km breit, w�hrend die Halbinsel Yukatan (s. d.) ein fremdartiges Anh�ngsel zu dem langgestreckten Hauptk�rper des Landes bildet. Letzterer besteht in seinem Kern aus stark abgeflachten, aus kristallinischen und pal�ozoischen Gesteinsarten zusammengesetzten Bergr�cken, die ostwestlich streichen, in Guatemala in der Sierra de las Minas bis 3000 m, in den Altos Cuchumatanes bis 3700 m aufsteigen und an die sich beiderseits in ihrer Lagerung vielfach gest�rte und von zahlreichen Br�chen durchsetzte cretaze�sche und terti�re Kalk-, Sandstein- und Mergelschichten anlehnen. In s�d�stlicher Richtung verlaufende Reihen junger, vielfach noch t�tiger Vulkane, darunter der Tacana (3990 m), Tajamulco (4210 m), Santa Maria (3768 m, mit starkem Ausbruch 1902), Acatenango (3960 m), Agua (3753 m), Coseguina, Momotombo, Masaya (mit Ausbruch 1902), Orosi, Poas (2711 m), Irazu (3417 m), Turialba (3300 m) und Chiriqui (3437 m), begleiten die S�dwestseite. Dahin richtet sich auch der Steilabfall des Landes, so da� dort zwischen hohet. Vorgebirgen, die unmittelbar an den Stillen Ozean treten, nur schmale, mit Lagunen besetzte und mit Mangroven bewachsene, alluviale K�stenniederungen liegen. Die durch Vulkanaufsch�ttungen abged�mmte Fonsecabai sowie die durch junge Einbr�che gebildete Nicoyabucht, der Golfo Dulce, die Montijobai und der Golf von Panama (s. d.) gliedern hier das Land und gew�hren bei Amapala, Punt' Arenas, Santo Domingo und Panama gute Ankerpl�tze. Der sanfteren Nordostabdachung folgen die Hauptfl�sse, vor allem Usumacinta, Hondo, Belize, Motagua, San Juan (der Abflu� des Managua- und Nicaraguasees) und Chagres, durch deren Anschwemmungswirkung sich am Mexikanischen und Karibischen Meer ausgedehntere Waldniederungen ausbreiten. Nur der Hondurasgolf (Golf von Amatique) greift hier tiefer landein, die Chetumal-, Caratasca-, Moskito- u. Chiriquilagune sind seicht, und an guten Ankerpl�tzen herrscht entlang der ganzen atlantischen K�ste Mangel. Die Halbinsel Yukatan (s. d.) ist ein niedriges Tafelland aus terti�rem Kalkstein, mit zahlreichen H�hlen und unterirdischen Gew�ssern, aber beinahe vollst�ndig ohne oberfl�chliche Str�me und f�r den Seeverkehr nur mit schlechten Reeden ausgestattet. Eine Ausnahme bildet der Inselhafen Carmen, an der Laguna de Terminos, nahe der Ansatzstelle der Halbinsel. Verheerende Erdbeben sind an der pazifischen Seite h�ufig. Die geologischen Verh�ltnisse ebenso wie die biologischen des Landes und der Meere deuten darauf hin, da� M. vor der mittlern Terti�rzeit zeitweise aus einer Anzahl von Inseln bestand Von 82 bekannt gewordenen Fischfamilien sind an der Landenge von Panama 79 beiden Ozeanen gemeinsam, von 218 Gattungen 170, dagegen finden sich von den 374 pazifischen Arten nur 54 zugleich im Karibischen Meer.

Das Klima ist tropisch, bietet aber je nach der Lage zu den Ozeanen und nach der H�he gro�e Verschiedenheiten. In der atlantischen K�stenniederung haben Belize und Colon 26,2� mittlere Jahrestemperatur, bis 34,5� im hei�esten und bis 15,4, bez. 18,9� im k�hlsten Monat, am pazifischen Geh�nge San Jos� de Costarica (1135 m �. M.) 19,6� und Guatemala (1480 m) 18,6� Jahresmittel bei 34,7, bez. 30,8� h�chstem und 8,2, bez. 7,6� niedrigstem Extrem. Im h�hern Gebirge hat Quezaltenango (2350 m �. M.) 14,2� Mittel- und -3� niedrigste Temperatur. Schnee f�llt auch auf den h�chsten Berggipfeln selten, weil der Winter die Trockenzeit ist. An Niederschl�gen ist das atlantische Geh�nge (Greytown mit 6583 mm, Setal mit 5288 mm, Puerto Simon 3747 mm) ungleich reicher als das pazifische (San Jos� de Costarica 1754 mm, Guatemala 1410 mm). Entsprechend dem zweimaligen Zenitstande der Sonne gibt es zwei regenreiche Jahreszeiten (invierno, Mai bis Juli und September bis November) und zwei Trockenzeiten (verano und veranillo, Dezember bis April und August), die letztern sind aber nur an der pazifischen Seite streng ausgepr�gt. Hauptregenbringer ist der Passatwind aus NO. Die Pflanzenwelt lehnt sich eng an die kolumbianische Tropenvegetation an, jedoch mischen sich den tropischen Typen zahlreiche borealsubtropische bei, besonders n�rdlich von der Talsenke des Nicaraguasees, die als die haupts�chlichste pflanzengeographische Scheidelinie zu gelten hat. Guatemala hat in den H�hen von 2900–3300 m noch ausgedehnte Best�nde von Pinus occidentalis, und erst an den Vulkanen in der Umgebung der Fonsecabai findet der nordische Konifereng�rtel sein Ende. Die ganze Formenf�lle des dichten neotropischen Regenwaldes bietet der S�dosten, der namentlich durch zahlreiche [916] Palmen von den Gattungen Bactris, Geonoma, Iriartea, Elaeis, Guilelmia und Chamaedorea sowie daneben durch Farnb�ume, Scitamineen, Bromeliazeen, Aroideen und Helikonien ausgezeichnet ist. Auf der ganzen pazifischen Seite ist der Wald entsprechend dem trocknern Klima lichter, und weit verbreitet sind hier Savannen mit zerstreuten Baum- und Strauchbest�nden von Mimosen, Guaven, Bombax und Xerophilen. In den W�ldern des Nordwestens sind die Korozopalme (Attalea cohune), der Kautschukbaum (Castilloa elastica), der Mahagoni- (Swietenia umhagoni) und der Kampeschebaum (Haematoxylon campechianum) wichtige Charakterformen. Stark im Vordergrunde stehen im N. auch immergr�ne Eichen. Scharf ausgepr�gt sind im ganzen Gebiete die H�henregionen der echt tropischen K�stenniederungen und Fu�h�gelgegenden (tierra caliente, bis 1000 m), der vorwiegend subtropischen mittlern Gebirgs- und Plateaulagen (tierra templada, bis 2000 oder 2200 m) und der ein borealalpines Pflanzenkleid tragenden h�chsten Lagen. Auch hinsichtlich der Tierwelt stellt sich M. viel n�her zu S�d-als zu Nordamerika, so da� es als die am weitesten gegen NW. vorgeschobene Subregion der Neotropen bezeichnet werden darf. Von 69 bekannten S�ugetiergattungen sind nur zwei Flederm�use dem Land eigent�mlich, w�hrend 41 Gattungen allgemein neotropisch sind, nur 5 Gattungen aber neoboreal, 9 allgemein amerikanisch und 12 kosmopolitisch. Stark vertreten sind Flederm�use (28 Gattungen), Karnivoren (12) und Nager (12), verh�ltnism��ig schwa ch Affen (5), Insektenfresser (2), Huftiere (2) und Beuteltiere (2). Besonders hervorgehoben seien von s�dlichen Formen Jaguar, Puma, Ameisenb�r, Tapir, Pecari, Paca, G�rtel tier und Faultier, ein nordischer Wolf, Spitzmaus, Hirsch, Hase und Eichh�rnchen. Au�erordentlich reich ist die Vogelwelt, die 37 eigent�mliche Gattungen aufweist, vor allem den farbenpr�chtigen Quesal (Trogon resplendens), Papageien, Penelopiden, Hokkoh�hner u. a. Auch Reptilien gibt es viele, darunter die Giftschlangen Bothrops, Lachesis und Crotalus, den Kaiman, verschiedene Iguaniden, Fr�sche und Kr�ten. Die S��wasserfischfauna, ebenso wie die Insekten- und Landschneckenfauna, ist sehr eigent�mlich und regional stark abweichend, so da� durch sie die Annahme von der einstigen Zersplitterung des Landes in Inseln eine wichtige St�tze erh�lt. Weitverbreitet sind pflanzenfressende, n�chtliche Landkrabben. In der Bev�lkerung hat das Indianerelement noch st�rker als in Mexiko das �bergewicht; die Gesamtzahl der unvermischten Wei�en wird nur auf etwa 25,000 K�pfe veranschlagt. Neger und Mulatten sind namentlich in Panama und an der atlantischen K�ste zahlreich. Politisch zerf�llt der S�dosten von M. in die sechs selbst�ndigen Republiken Guatemala, Salvador, Honduras, Nicaragua, Costarica und Panama (s. d.), den Nordwesten aber nehmen die mexikanischen Staaten Chiapas, Tabasco, Campeche, Yukatan und Teile von Oajaca und Veracruz (s. d.) sowie Britisch-Honduras ein. Zum Bau und zur milit�rischen Beherrschung des Panamakanals (s. d.) wurde 1904 von der Republik Panama ein von Ozean zu Ozean reichender Landstreifen nebst den vorgelagerten kleinen Inseln (Perico, Naos, Flamengo, Culebra) an die Vereinigten Staaten von Nordamerika abgetreten. Vgl. au�er der Literatur zum Artikel »Amerika«: Reichardt, Centroamerika (Braunschw. 1851); Baily, Description of Central America (Lond. 1850; deutsch, Berl. 1851); Squier, The states of Central America (New York 1858; deutsch von K. Andree, Leipz. 1865); Foledo, Geografia de Centro-America (Guatemala 1874); Polakowsky, Die Republiken Mittelamerikas (in der »Zeitschrift der Gesellschaft f�r Erdkunde in Berlin«, 1889–91); Keane, Central-America and West-Indies (Lond. 1902); Reisebeschreibungen von Stephens (das. 1842), Dunlop (das. 1847), Byam (deutsch, Dresd. 1850), Scherzer (Braunschw. 1857), Fr�bel (Lond. 1859), Marr (Hamb. 1863), Belly (Par. 1867, 2 Bde.), Boyle (Lond. 1868), Morelet (deutsch, Jena 1872), Boddam-Whetham (Lond. 1877), Bovalius (Upsala 1887); Preu�, Expedition nach Zentral- und S�damerika (Berl. 1901) und besonders die zahlreichen Schriften von K. Sapper (s. d.); H. Bancroft, History of Central America (San Francisco 1881–87, 3 Bde.); Haebler, Die Religion des mittlern Amerika (M�nster 1899).

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 916-917.
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