Hottentotten

[576] Hottentotten (»Stotterer«) wurden von den Holl�ndern die afrikanischen Urbewohner am Kap der Guten Hoffnung wegen der Schnalzlaute in ihrer Sprache genannt. Sie bilden mit den Buschm�nnern zusammen eine eigne, von den Negern streng geschiedene Menschenrasse (s. Tafel »Afrikanische V�lker II«, Fig. 6 u. 7) und bezeichnen sich selbst als Khoi-Khoin, was »Menschen der Menschen« (d. h. Urmenschen), vom Singular Khoi-Khoip, bedeutet. Die H. wurden durch Kafferv�lker aus ihren fr�her n�rdlicher gelegenen Sitzen nach S�den gedr�ngt. Sie sind heute nur noch eine V�lkerruine. Die H. zerfallen in zwei Gruppen. Zur ersten, den eigentlichen H., z�hlen die Nama (Singular Namab) und die mit Kaffern und Europ�ern stark gemischten Korana (Kora, Koraqua); die Griqua sind Mischlinge der H. und Wei�en. Zur zweiten Gruppe z�hlen die S�n oder Buschm�nner (s. d.). Die Zahl aller unvermischten H. d�rfte heute gegen 60,000 betragen; in der Kapkolonie leben (1891) 51,850, in Deutsch-S�dwestafrika etwa 7000. Die H. haben eine fahle, gelbbraune Hautfarbe, sehr krauses, verfilztes Haar, eine schmale Stirn, stark nach der Seite vortretende Backenknochen, ein spitzes Kinn und einen mittlern (160–163 cm), hagern K�rperbau mit auffallend schwachen Gliedma�en; H�nde und F��e sind klein, die Sch�delform l��t sich, von vorn betrachtet, mit einem auf die Spitze gestellten Ei vergleichen. Eine bei den M�nnern nur seltene, bei den Weibern ziemlich allgemeine Eigent�mlichkeit ist die Steatopygie, eine au�erordentliche Entwickelung der Fettpolster des Ges��es. Auch die Verl�ngerung der labia minora und des praeputium cluoridis (Hottentottensch�rze) werden als Rassenmerkmale der H. angef�hrt, obwohl sie bei den verschiedensten V�lkern vorkommen und bei einigen (so bei den abessinischen) sogar Veranlassung zur Beschneidung gegeben haben. Die fr�here Kleidung aus Fellen ist l�ngst der europ�ischen Tracht gewichen. Die Frauen winden um den Kopf bunte T�cher und tragen Kupfer- und Messingringe, Eisenspangen, seitdem das teure Elfenbein verschwunden ist. Den K�rper reiben sie mit Fett und Ocker ein. Die Sprache der H. zerf�llt in drei Dialekte: den Nama-, Kora- und Kapdialekt, welch letzterer jedoch, mit Ausnahme geringer �berreste in den �stlichen Grenzdistrikten, jetzt ausgestorben ist. Mit einigen Kaffernsprachen, noch genauer mit dem Buschm�nnischen stimmt sie in dem Gebrauch gewisser Schnalzlaute �berein; mit dem Alt�gyptischen und andern nordafrikanischen sowie mit den semitischen und indogermanischen Sprachen hat sie die Unterscheidung von drei Geschlechtern gemein. Wahrscheinlich bildete die Sprache der H. mit dem Buschm�nnischen den letzten Rest einer einst weitverbreiteten Sprachfamilie. Grammatiken des Namadialekts lieferten Wallmann (Berl. 1857), Tindall (Kapstadt 1870, mit Vokabular), Th. Hahn (Leipz. 1870), Fr. M�ller (»Grundri� der Sprachwissenschaft«, 2. Bd., Wien 1877), Schils (L�wen 1891), Seidel (Wien 1892), ein Nama-deutsches W�rterbuch Olpp (Barm. 1888); eine Grammatik des Koradialekts Wuras (in Appleyards »Kafir language«, King Williamstown 1850); eine vergleichende Grammatik der drei Dialekte BleekComparative grammar of South-African languages«, Lond. 1862–69, 2 Bde.); einen »Wortschatz[576] der Khoi-Khoin« Kr�nlein (Berl. 1889). Interessante Proben hottentottischer Tierm�rchen enth�lt Bleeks »Reineke Fuchs in Afrika« (Weim. 1870).

Die fr�hern Waffen: Bogen und vergiftete Pfeile, Assagai (Wurfspie�), Kiri (Wurfkeule) und schwere St�cke aus Eichenholz sind jetzt durch Gewehre verdr�ngt worden. Wie alle Afrikaner verstanden die H. das Eisen zu schmelzen. Ihre H�tten, aus Holzger�st mit kunstvoll geflochtenen Binsenmatten in Bienenkorbform, werden beim Wechsel der Weidegr�nde schnell abgebrochen und auf Packochsen verladen, doch tritt neben diesem nach dem Beispiel der Bastards mehr und mehr das Lehmhaus auf. Viehzucht und Jagd sind Hauptbesch�ftigungen der M�nner, die den Frauen den gr��ten Teil der Arbeit �berlassen, doch ist die Frau unbeschr�nkte Herrin im Hause. Das Alter wird im hohen Ma�e geehrt. Die Nahrung besteht in Milch und Fleisch, und wo diese, wie h�ufig, fehlen, in Wurzeln, Zwiebeln etc., die sie mit wunderbarem Scharfsinn aufzusp�ren verstehen. Der fr�her verbotene Genu� des Hafen ist jetzt allgemein geworden. F�r den Genu� von Branntwein und Tabak gibt der Hottentotte alles hin. Das Temperament der H. ist vorwiegend sanguinisch, und bei dem Leichtsinn ihres Charakters entsteht eine Unberechenbarkeit der Handlungsweise, die ihre guten Eigenschaften, pers�nlichen Mut und Intelligenz, Bereitwilligkeit, dem Bedr�ckten und Hilfsbed�rftigen beizustehen, und Gastfreundschaft, v�llig lahmlegt. Sie sind meist heiterer Laune, lieben die Geselligkeit, Tanz und Schmausereien. Die Leichtigkeit aber, die Sitten und noch mehr Unsitten der Europ�er anzunehmen, f�hrt sie dem Rassentod entgegen. Die Moral der H. ist gering. Wankelmut, Gro�mannssucht, L�gen, Diebstahl und Sinnlichkeit sind ihre Hauptlaster. Von ihrer Begabung zeugen die Leichtigkeit, mit der sie sich fremde Sprachen aneignen, sowie die dem eignen Verst�ndnis entsprechend umgestalteten Fabeln von Reineke Fuchs, seine Skulpturen u. a. Die Armut des Landes aber, in das sie gedr�ngt wurden, hat ihre weitere geistige Ausbildung und volkliche Entwickelung verhindert. Die Verfassung ist patriarchalisch; jede kleine Vereinigung, bis auf die Familie herab, hat ihren Vorsteher oder �ltesten, w�hrend einer von diesen wieder die Oberhoheit �ber alle zum Stamm z�hlenden kleinern Abteilungen besitzt. In ihren religi�sen Vorstellungen ist der gro�e »Kapit�n« Tsuigoab (»Wundknie«) der mit besonderer Macht ausgestattete Geist eines h�hern H�uptlings. Man findet auch Mond-, Stern- und Tierkultus. Die Verehrung der �berirdischen M�chte geschieht durch Anrufungen und Opfer, d. h. man bringt ihnen Vieh dar, deren Fleisch von den Opfernden genossen wird. Ein gro�er Teil der H. hat den christlichen Glauben angenommen. Vgl. Karte bei Art. »Kapkolonien«; G. Fritsch, Die Eingebornen S�dafrikas (Bresl. 1873): Ratzel, V�lkerkunde, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1894); Schinz, Deutsch-S�dwestafrika (Oldenb. 1891).

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 576-577.
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