Erwartung

[190] Erwartung ist derjenige Zustand, der in uns entsteht, wenn durch sich uns aufdr�ngende Vorstellungen k�nftiger Ereignisse unsere Aufmerksamkeit erregt ist und wir in Unruhe versetzt sind. Je nach der Klarheit der k�nftigen Vorstellung ist die Erwartung bestimmt oder unbestimmt; je nach der Art der Unruhe, die lustvoll oder peinvoll sein kann, hei�t sie Hoffnung oder Furcht; nach dem Grade seiner Bildung erwartet der Mensch weniger oder mehr; daher die gr��ere Ungeduld ungebildeter Menschen bei unliebsamen Verz�gerungen. Die Erregung und Befriedigung von Erwartungen bringt in unser Leben einen angenehmen Rhythmus; wer nichts mehr zu erwarten hat, wird leicht lebens�berdr�ssig. Je bestimmter die Erwartung wird, desto ungeduldiger werden wir; daher erscheint der Rhythmus des Lebens mit dessen Fortschritt beschleunigt. Was und wie man erwartet, h�ngt von des Menschen Individualit�t, Erziehung und Beruf ab. Dringende Erwartung verf�lscht oft unser Urteil. Man h�lt f�r m�glich, ja notwendig, was man erwartet. Get�uschte Erwartung verwandelt oft Angenehmes in Unangenehmes, Gleichg�ltiges in Verabscheutes. Das Kind erwacht, wenn die W�rterin aufh�rt zu singen, der M�ller, wenn seine M�hle pl�tzlich stillsteht. Mancher �sthetische Genu� beruht auf dem Wechsel von Befriedigungen und Entt�uschungen, z.B. bei musikalischen Variationen, bei der Fuge, beim Roman. Aus[190] unbestimmten Erwartungen entspringt die Langeweile (s. d. W.). Die Ungeduld der Erwartung spricht sich meist durch Instinktbewegungen aus, die ebenso zwecklos sind wie die auf- und abwogenden Vorstellungen, z.B. Trommeln, Schaukeln, Hin- und Hergehn u. dgl.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Micha�lis, Carl: W�rterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 190-191.
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