Schwere

[203] Schwere, das Bestreben der K�rper, nach der Erde zu fallen, das sich durch den wirklichen Fall oder durch den Druck auf die ruhende horizontale Unterlage �u�ert. Dieser Druck wird von den Physikern Gewicht (s. d.) genannt, was insofern zu manchen Mi�verst�ndnissen f�hrt, als im gew�hnlichen Leben das Gewicht eines K�rpers, das durch W�gen mit der Wage gefunden wird, eben nicht das Gewicht im physikalischen Sinne, sondern die Masse des K�rpers ist. Die S. ist ein besonderer Fall der Gravitation (s. d.), d. h. der Anziehung, die jedes Massenteilchen auf jedes andre im direkten Verh�ltnis der Massen und im umgekehrten Verh�ltnis des Quadrats der Entfernung aus�bt. Nach diesem Gesetz zieht die Erde, die als nahezu kugelf�rmig betrachtet werden kann, jeden au�er ihr befindlichen K�rper an, und zwar so, als ob die ganze Masse des Erdballes in seinem Mittelpunkt vereinigt w�re. Die Schwerkraft (so nennen wir diese Anziehung) ist daher, abgesehen von minimalen, durch die Zentrifugalkraft, lokale Verschiedenheiten der Dichtigkeit der Erdrinde, N�he gro�er Berge etc., bedingten Abweichungen �berall nach dem Erdmittelpunkt (lotrecht oder vertikal) gerichtet und steht senkrecht zu der idealen, durch das ruhige Meer repr�sentierten Erdoberfl�che. Von der Erdoberfl�che aus nimmt die S. sowohl nach der Tiefe als nach der H�he ab; im Erdinnern ist sie n�mlich dem Abstand vom Erdzentrum proportional, w�hrend sie au�erhalb der Erde dem Quadrat der Entfernung vom Erdmittelpunkt umgekehrt proportional[203] ist. Aber auch an der Erdoberfl�che ist die S. nicht �berall gleich, sondern nimmt von den Polen nach dem �quator hin ab. Ihre Intensit�t wird bemessen nach der Beschleunigung g, die sie einem frei fallenden K�rper w�hrend einer Sekunde erteilt; diese ergibt sich durch Beobachtung der Schwingungsdauer eines Pendels, denn die ganze Schwingungsdauer ist T = 2π√(1/g);, wenn l die L�nge bedeutet, also g = 4π2.l/T2. Ist das Pendel ein Sekundenpendel, d. h. die Dauer einer halben Schwingung 1 Sekunde, so wird T = 2, also g = π2.l. Um genauere Werte f�r l zu erhalten, bedient man sich des Reversionspendels (s. Pendel, S. 561) und der gr��ern Sicherheit wegen Pendel von verschiedenem Gewicht und verschiedener L�nge. Folgende Tabelle gibt die Resultate von Sabines Pendelmessungen:

Tabelle

Da nach obiger Formel bei gleicher Schwingungsdauer die Beschleunigungen sich verhalten wie die Pendell�ngen, so nimmt hiernach die Wirkung der Schwerkraft ab vom Pol bis zum �quator; w�hrend n�mlich dort die Beschleunigung des freien Falles 983,19 cm, unter 45� Breite 980,60 cm betr�gt, ist sie unter dem �quator 978,00 cm. Die Ursache dieser Verminderung ist zum Teil die durch den Umschwung der Erde um ihre Achse erzeugte Zentrifugalkraft; da die Umdrehungsgeschwindigkeit und der Halbmesser der Erde bekannt sind, so l��t sich die Gr��e der Zentrifugalkraft leicht berechnen, sie betr�gt am �quator, wo sie am gr��ten ist und der Schwerkraft gerade entgegenwirkt, 1/288,4 derselben, und die Beschleunigung m��te dort um 34 mm kleiner sein als an den Polen. Die Pendelbeobachtungen aber zeigen, da� die Abnahme der Beschleunigung von den Polen nach dem �quator nahezu 52 mm betr�gt. Es mu� demnach f�r diese Verminderung noch eine andre Ursache vorhanden sein als die Zentrifugalkraft, und diese kann nur darin bestehen, da� die Pole dem Erdmittelpunkt n�her liegen als die Punkte des �quators, oder da� die Erde an den Polen abgeplattet ist. Aus den mittels des Pendels gefundenen Werten der Beschleunigung und aus der Gr��e der Zentrifugalkraft berechnet man die Abplattung der Erde auf 1/299,26; diese Zahl stimmt mit dem aus Gradmessungen gefundenen Wert 1/299,15 sehr nahe �berein.

Als Normalschwere bezeichnet man den Wert von g in Meeresh�he und unter 45� Breite; er betr�gt 980,6. F�r die geographische Breite φ und die H�he H Meter �ber dem Meere ist:

g = 980,6 (1–0,0026.cos2φ-0,0000002.H).

abgesehen von lokalen Abweichungen, die selten 0,2 erreichen. Letztere pflegt man mittels des Sterneckschen Pendels von geringen Dimensionen und konstanter L�nge zu bestimmen, das relative Schweremessungen erm�glicht, d. h. Bestimmung der Verschiedenheit der Werte von g an verschiedenen Orten. Die Abweichungen ergeben sich bald positiv, bald negativ. In letzterem Fall sind Massendefekte anzunehmen, unter denen man sich z. B. gro�e Hohlr�ume in der Erdrinde oder gro�e Mengen von spezifisch leichtem Gestein denken kann. Nach Koch sollen auch zeitliche �nderungen der S. am gleichen Orte zu beobachten sein. Kurzdauernde zeitliche �nderungen werden durch die Stellung des Mondes zur Erde hervorgerufen. Zur Beobachtung dient das Horizontalpendel, das sich um eine nahezu vertikale Achse dreht. Man beobachtet damit auch die Richtungs�nderung der Lotlinie, d. h. die Bewegungen und Ersch�tterungen der Erdrinde. Zu relativen Schweremessungen kann auch ein Barometer dienen, wenn der wahre Luftdruck mittels eines Aneroids bestimmt wird, da der Druck der Quecksilbers�ule von der Intensit�t der Schwere abh�ngt, nicht aber die Federspannung des Aneroids. Genaue Angaben eines Druckes in Quecksilber beziehen sich deshalb stets auf Normalschwere. Der Barometerstand z. B. wird auf letztere reduziert.

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 203-204.
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