[316] Musikwerke (mechanische, automatische) sind Apparate, die nur unter Anwendung mechanischer Mittel (Drehen einer Kurbel, Aufziehen einer Feder), also ohne seitens des Spielers Musikbildung vorauszusetzen, Tonst�cke mehr oder minder vollkommen vorzutragen erm�glichen. Apparate solcher Art sind erst in den letzten hundert Jahren zu gr��erer Verbreitung und Beliebtheit gelangt; doch reicht ihre Erfindung und vereinzelte Herstellung viel weiter zur�ck (s. Automat). Von den bis ins Altertum zur�ckreichen den singen den V�geln bis zu Vaucausons automatischem Fl�tenspieler sind die �ltern mechanischen M durchaus Rarit�ten, die mit gro�em Aufwand von Zeit hergestellt und teuer bezahlt wurden. Dagegen sind die heutigen M. ein billiger Ersatz f�r eine durch geschulte Musiker hervorgebrachte Musik. Der Ursprung solcher M. ist wohl in der Kirche zu suchen, und zwar zuerst in der Form von mit der Turmuhr verbundenen Glockenspielen (im 17. oder 16. Jahrh.) einerseits und in der Form mechanisch gespielter Orgeln (wie die von Wright um die Mitte des 18. Jahrh. f�r eine Londoner Kirche gebaute) anderseits.
Nach der Art, wie die M. in Bewegung gesetzt werden, hat man zu unterscheiden a) solche mit Federkraft oder Gewich len (wie die Uhren) und b) solche mit Kurbel zum Drehen (wie die Spieluhren und Leierkasten). Unterscheidet man die M. nach den tongebenden Mitteln, so sind zu unterscheiden c) solche mit abgestimmten Glocken, Gl�ckchen, Stahlst�ben oder Saiten (Schlaginstrumente) und d) solche mit Fl�ten- oder Zungenpfeifen (Blasinstrumente). Eine allen �ltern Musikwerken gemeinsame Einrichtung, die man daher f�r deren eigentliches Charakteristikum halten mu�, ist die mit Stiften besetzte Walze, mag diese durch ein Uhrwerk getrieben oder durch eine Kurbel gedreht werden, mag sie Glocken, Stahlst�be, Saiten oder Pfeifen zum Klingen bringen. Erst in allerneuester Zeit ist die Walze aus ihrer Alleinherrschaft verdr�ngt worden durch eine sozusagen gegenteilige Einrichtung, n�mlich die der durchl�cherten Scheiben, so da� wir eine dritte Zweiteilung der mechanischen M. haben: e) mit Walzen und Stiften und k) mit durchl�cherten Scheiben (sogen. Notenbl�ttern). Die in die Walze eingelassenen Stifte bringen bei den Glockenspielen die T�ne durch Anheben der H�mmer hervor, welche die Glocken schlagen; erst in allerneuester Zeit hat die englische Firma Gillett u. Bland in Croydon den Mechanismus der Glockenspiele dahin ver�ndert, da� die Stifte nicht Federn anzuheben, sondern nur sie auszul�sen haben. Gei den kleinern Spieldosen oder Spieluhren rei�en die Stifte die verschieden abgestimmten Z�hne eines Metallkammes an, der als der Komplex einer Reihe von Mestallst�ben (statt Glocken) definiert werden mu�. Bei den Drehorgeln (mechanischen Orgeln, engl. Barrel-organs) �ffnen die Stifte die Ventile der einzelnen Pfeifen; da nun aber nach dem Passieren des Stiftes das Ventil sich sofort wieder schlie�en w�rde, also nur ein ganz kurzer Ton entstehen k�nnte, so treten an Stelle der Stifte bei den Drehorgeln zweimal rechtwinklig gebogene, mit beiden Enden eingelassene Dr�hte ⊓, welche die Ventile so lange offen halten, bis jene ihrer ganzen L�nge nach passiert sind. Die durchl�cherten Scheiben nun setzen ebenso wie die neuere Mechanik der Carillons an Stelle des Anhebens das Freigeben einer Feder, das Ausl�sen, mag nun dadurch ein Ventil ge�ffnet oder ein H�mmerchen gegen eine Saite geworfen oder ein Zinken eines Metallkanmmes ergriffen werden.
Nach dieser allgemeinen Klassifikation sind alle die vielnamigen neuern M. leicht zu verstehen. Sie alle setzen einerseits eine Skala verschieden abgestimmter klangf�higer K�rper (Glocken, Metallst�be, Saiten, Pfeifen, Zungen) und anderseits eine genau bere, berechnete Einstellung der dieselben regieren den Stifte oder Balken, resp. der in die Scheiben geschnittenen L�cher voraus, so da� die T�ne in der gew�nschten Folge oder den gew�nschten Zusammenklangen und in den gew�nschten zeitlichen Abst�nden herauskommen. Jede einmalige Umdrehung der Walze bringt das Tonst�ck zu Ende; die Walze der Drehorgel dreht sich deshalb viel langsamer als die Kurbel, durch die ja au�erdem die beiden Sch�pfb�lge des Instruments abwechselnd ausgezogen werden. Spielt ein Musikwerk mit Walze mehrere St�cke, so mu� die Walze f�r jedes derselben etwas anders gestellt werden; alsdann passieren die nicht zu dem gerade gespielten St�cke geh�rigen Stifte zwischen den Ventilen frei durch. Auf die Instrumente mit durchl�cherten Scheiben wird f�r jedes neue St�ck eine neue Scheibe eingesetzt. Es ist das ein gro�er Fortschritt des Baues solcher M., da die »Notenbl�tter« sehr billig sind, w�hrend bei den �ltern Instrumenten eine neue Walze nicht viel weniger kostete als ein neues Instrument. Das Orchestrion (erfunden 1851 von Fr. Th. Kaufmann, eine Verbesserung des 1835 von seinem Vater konstruierten »Symphonions«) ist eine mechanische Orgel von ziemlicher Gr��e mit starken Fl�ten- und Zungenstimmen mit R�derwerk und Gewichten, die nur wieder aufgezogen zu werden brauchen, wenn sie abgelaufen sind, oder auch mit einer Kurbel. Dagegen sind das Ariston (die kleinern Instrumente auch Aristonette genannt), Herophon und Manopan sich von einander nur wenig unterscheidende »Salonorgeln« mit durchl�cherten Scheiben; beim Ariston und Herophon sind dieselben von Pappe, kreisf�rmig,[316] werden durch Federn aufgeklemmt und drehen sich um ihren Mittelpunkt; beim Manopan sind sie von Leder und in Gestalt breiter B�nder oder Streifen; alle drei Instrumente haben Zungenstimmen wie das Harmonium. Jetzt baut man auch gro�e Symphonions nach demselben Prinzip. Die Schweizer Spieldosen (mit Kurbel) oder Spieluhren (mit Uhrwerk), die seit 100 Jahren, was Akkuratesse und Pr�zision anlangt, den Vorrang behaupten, haben Metallk�mme und Stiftwalzen; die sogen. deutschen Spieldosen oder Symphonions haben statt der Walzen durchl�cherte kreisf�rmige Stahlbl�tter (Lochmanns Patent). Das Drehpiano (Orgelklavier) Orpheus ist eine von Paul Ehrlich (Direktor der Fabrik Leipziger M., dem Erfinder der an Stelle der Walzen gesetzten Scheiben) bewerkstelligte �bertragung desselben Prinzips auf ein kleines Klavier, sofern gespannte Federn die H�mmerchen (Finger) gegen die Tasten werfen, sobald die L�cher der Pappscheibe sie ausl�sen. Nur Vergr��erungen und Verbesserungen dieser Instrumente sind P. Ehrlichs Klavierautomat, der an jedem Pianino angebracht werden kann (die Tasten werden durch den Apparat angeschlagen), sowie das mechanische Klavier von J. M. Hirt in Leipzig, an dem wie beim Manopan die durchl�cherten Notenbl�tter Bandform haben. Ariston, Herophon, Manopan, Orpheus, der Klavierautomat und das »mechanische Klavier« werden durch Drehen einer Kurbel gespielt. Wesentliche Vervollkommnungen der mechanischen M. brachten die Einf�hrung der Pneumatik zur Erzielung prompterer Ausl�sung (Patent Welte 1887) sowohl f�r die M. mit Metallk�mmen oder Zungenpfeifen als ganz besonders auch f�r die mechanischen Klavierspielapparate (amerikanische Pianola und deutsche Phonola) sowie ferner die Einf�hrung elektrischen Antriebs statt des Windtretens oder des Aufziehens von Federn. Die mechanischen Klavierspielapparate, die dank einer lebhaften Reklame der Fabrikanten zu einer ernsthaften Konkurrenz des h�uslichen Musizierens zu werden drohen, sind teils solche, die einem das Instrument bedienenden Spieler Einflu� auf die dynamischen und Temposchattierungen gestatten (Pianola, Phonola, Orphobella, Apollo, Simplex, Virtuos, Metrostyle) und durch diesen Schein k�nstlerischer Bet�tigung stark bestechen, und solche, die den Vortrag ganz allein besorgen. Zu letztern geh�ren au�er den einfachen Drehklavieren der Zeit vor der Phonola die neuesten und imposantesten Wunder der Technik: die Reproduktionsklaviere (Mignon, Phonoliszt), die elektropneumatische phonographische Aufnahmen von K�nstlervortr�gen als wirkliches Klavierspiel reproduzieren. So erstaunlich diese Leistungen sind und so erfreulich vom volkswirtschaftlichen Standpunkte diese bedeutende Entwickelung eines ganz neuen Industriezweiges ist, so ist doch nicht zu �bersehen, da� dieselben eine nicht zu untersch�tzende Gefahr f�r die lebendige Kunstpflege bedeuten.