Kegelschnitte

[802] Kegelschnitte (Sectiones conicae), die Kurven, die sich als Schnitte einer Ebene mit der Fl�che eines geraden Kreiskegels (s. Kegel) ergeben. Die sogen. eigentlichen oder nicht ausgearteten K. erh�lt man, wenn die Ebene nicht durch die Spitze des Kegels geht; ist dann die Ebene zu keiner Erzeugenden des Kegels parallel und trifft sie von den beiden in der Spitze zusammenh�ngenden H�lften des Kegels blo� die eine (Fig. 1), so liegen alle Punkte des Schnittes im Endlichen, und man hat eine Ellipse (s. d.), von welcher der Kreis (s. d.) ein besonderer Fall ist; trifft die Ebene dagegen beide H�lften des Kegels (Fig. 2 u. 3), so besteht die Kurve aus zwei ins Unendliche verlaufenden �sten und ist eine Hyperbel (s. d.); den �bergang zwischen diesen beiden Kurvenarten bildet der Fall, da� die Ebene zu einer Erzeugenden des Kegels parallel ist (Fig. 4), sie hat dann mit der einen H�lfte des Kegels keinen im Endlichen liegenden Punkt gemein und die Kurve besteht aus einem ins Unendliche verlaufenden Ast, sie ist eine Parabel (s. d.). Geht die Ebene durch die Kegelspitze, so erh�lt man einen ausgearteten Kegelschnitt, der entweder aus zwei Erzeugenden des Kegels oder aus einer (doppelt z�hlenden) Erzeugenden oder blo� aus einem Punkte (der Kegelspitze) besteht. In den Figuren 1, 3 u. 4 sind die St�cke, in die der Kegel durch die Ebenen zerlegt wird, auseinanderger�ckt, um die Schnittfl�chen besser sichtbar zu machen. In Fig. 2 sind zwei parallele ebene Schnitte dargestellt, durch die der Kegel in drei St�cke zerf�llt (Fig. 3), und von denen der durch die Spitze gehende ein Geradenpaar, der andre eine Hyperbel liefert. Von allgemeinen Eigenschaften der K. sind folgende zu erw�hnen: 1) Ein nicht ausgearteter Kegelschnitt wird von jeder Geraden h�chstens in zwei Punkten getroffen; wird er blo� in einem Punkte getroffen, so hei�t die Gerade Tangente und der betreffende Punkt ihr Ber�hrungspunkt.

Fig. 1. Ellipse als Schnitt eines Kegels.
Fig. 1. Ellipse als Schnitt eines Kegels.

Von jedem Punkte der Ebene lassen sich h�chstens zwei Tangenten an den Kegelschnitt ziehen. 2) Der Potenzsatz (von Newton aufgestellt, aber schon dem Archimedes bekannt): zieht man durch einen beliebigen Punkt O, der nicht auf dem Kegelschnitt liegt, zwei Gerade, von denen die eine diesen in den Punkten A, B trifft, die andre in C, D, so ist der Bruch OA.OB/OC.OD nur von den Richtungen der Geraden A B und C D, nicht aber von der Lage des Punktes O abh�ngig, d. h. ist O' ein andrer Punkt u. zieht man durch O' parallel zu AB u. CD gerade Linien, die den Kegelschnitt der Reihe nach in A', B' u. C', D' treffen, so ist:

Tabelle

3) Der Pascalsche Satz: »Ist ein Sechseck einem Kegelschnitt eingeschrieben, so liegen die Schnittpunkte gegen�berliegender Seiten in einer geraden Linie«. Als »eingeschriebenes Sechseck« bezeichnet man hier den aus sechs Geradenst�cken bestehenden geschlossenen Linienzug, der sechs auf dem Kegelschnitt liegende Punkte in irgend einer Reihenfolge verbindet, wie in Fig. 5 der Linienzug A B C D E F A; gegen�berliegende Seiten des Sechsecks sind die 1. und 4., 2. und 5., 3. und 6., so da� also in der Figur M, N und P die drei Punkte sind, die auf einer Geraden (m) liegen. Die Gerade m hei�t die Pascalsche Gerade des Sechsecks A B C D E F, die ganze Figur nennt man auch mystisches Sechseck (Hexagramm). Der Satz zeigt, da� ein Kegelschnitt durch f�nf seiner Punkte, von denen keine drei in gerader Linie liegen, bestimmt ist, denn sind A B C D E gegeben, und zieht man durch E eine beliebige gerade Linie f, so findet man deren zweiten Schnittpunkt F mit dem Kegelschnitte so: man sucht die Schnittpunkte: M von A B und D E, N von B C und f, P von C D und M N, dann ist F der Schnittpunkt von A P und f. 4) Die Gleichung eines Kegelschnitts[802] hat f�r ein beliebiges rechtwinkliges Koordinatensystem (s. Koordinaten) stets die Form:

ax2+2bxy+cy2+2dx+2ey+f = 0.

wo a, b... f unver�nderliche Gr��en sind; f�r b2 < ac hat man eine Ellipse, b2 = ac eine Parabel, f�r b2 > ac eine Hyperbel.

Geradenpaar und Hyperbel als Schnitte eines Kegels.
Geradenpaar und Hyperbel als Schnitte eines Kegels.

5) Zu jedem Kegelschnitt geh�rt eine Gerade, seine Hauptachse, die ihn in zwei symmetrische H�lften zerlegt. Auf dieser liegen zwei merkw�rdige Punkte, die Brennpunkte, zu deren jedem eine auf der Hauptachse senkrechte Gerade geh�rt, die Leitlinie (Direktrix) hei�t. Ist A X (Fig. 6) die Hauptachse, F ein Brennpunkt und f die zu F geh�rige Leitlinie, so steht f�r jeden Punkt P des Kegelschnitts seine Entfernung P L von der Leitlinie zur Entfernung PF von dem Brennpunkt in dem Verh�ltnis 1:ε wo die positive Zahl ε f�r alle Punkte des Kegelschnitts denselben Wert besitzt und die numerische Exzentrizit�t hei�t, es ist also immer: P F = ε. P L.

Fig. 4. Parabel als Schnitt eines Kegels
Fig. 4. Parabel als Schnitt eines Kegels

Benutzt man als Anfangspunkt eines rechtwinkligen Koordinatensystems den auf der Hauptachse zwischen F und der Leitlinie liegenden Punkt A (den Scheitel) des Kegelschnitts (A F = ε. A S) und als Abszissenachse die Hauptachse, so besteht zwischen den Koordinaten A M = x, M P = y von P die Gleichung (Scheitelgleichung des Kegelschnitts):

y2 = 2px+(ε2-1)x2,

wo p = A F (1+ε) (der Parameter des Kegelschnitts) die L�nge der Geraden ist, die in F auf der Hauptachse senkrecht steht und bis zur Kurve reicht. Je nachdem ε < 1, ε = 1 oder ε > 1 ist, hat man eine Ellipse (s. d.), Parabel (s. d.) oder Hyperbel (s. d.), f�r ε = 0 insbes. einen Kreis. Setzt man y = 0, so wird entweder x = 0 oder x = 2 p: (1-ε2), der Kegelschnitt trifft also die Hauptachse noch in einem zweiten Punkte (dem zweiten Scheitel); die Mitte zwischen beiden Scheiteln hei�t der Mittelpunkt des Kegelschnitts; der zweite Brennpunkt und die zu ihm geh�rige Leitlinie liegen in bezug auf den Mittelpunkt symmetrisch. Bei der Parabel, wo ε = 1 ist, fallen der zweite Scheitel, der Mittelpunkt, der zweite Brennpunkt und die zweite Leitlinie ins Unendliche. 6) Die Entfernung F P eines Punktes P der Kurve vom Brennpunkt hei�t der Leitstrahl (Brennstrahl)oder radius vector von P; bezeichnet man den Winkel X F P mit φ, so ist r = p: (1-εcosφ) die Gleichung des Kegelschnitts in Polarkoordinaten. Zieht man in P die Tangente PT an den Kegelschnitt, errichtet auf dieser in P die Senkrechte (die Normale), welche die Hauptachse in N trifft, und setzt man den Winkel F P N = ψ, so ist stets P N. cos ψ: = dem Parameter p. Der zu P geh�rige Kr�mmungshalbmesser des Kegelschnitts hat die Gr��e ρ = P N: cos2ψ.

Fig. 5. Mystisches Sechseck.
Fig. 5. Mystisches Sechseck.

Man findet daher den zu P geh�rigen Kr�mmungsmittelpunkt R, der auf der Normalen von P liegt, wenn man auf P N in N die Senkrechte errichtet, die den verl�ngerten Leitstrahl P F in Q trifft und dann auf P Q in Q die Senkrechte errichtet, welche die Normale in R schneidet. 7) Jede Gerade, die zwei Punkte des Kegelschnitts verbindet, hei�t eine Sehne, die Mitte zwischen diesen beiden Punkten hei�t die Mitte der Sehne (Sehnenmitte). Der Ort der Mitten aller zu einer Geraden parallelen Sehnen ist eine Gerade, die man Durchmesser des Kegelschnitts nennt.

Fig. 6.
Fig. 6.

Bei Ellipse und Hyperbel gehen alle Durchmesser durch einen Punkt, den Mittelpunkt, und jedem Durchmesser ist ein andrer, sein konjugierter, zugeordnet, derart, da� von zwei konjugierten Durchmessern jeder die dem andern parallelen Sehnen halbiert; der zur Hauptachse konjugierte Durchmesser, die Nebenachse, steht auf der Hauptachse senkrecht, und es ist dies das einzige Paar von zueinander senkrechten konjugierten Durchmessern, nur[803] beim Kreise steht jeder Durchmesser auf seinem konjugierten senkrecht. Bei der Parabel, wo der Mittelpunkt ins Unendliche f�llt, sind alle Durchmesser parallel. 8) Jedem Punkte der Ebene ist eine Gerade zugeordnet, die man seine Polarev bezug auf den Kegelschnitt nennt, und umgekehrt ist jede Gerade die Polare eines bestimmten Punktes, der ihr Polin bezug auf den Kegelschnitt hei�t. Zieht man durch einen Punkt U eine Gerade, die den Kegelschnitt in zwei Punkten V und W trifft, so schneiden die in V und W an den Kegelschnitt gezogenen Tangenten einander stets auf der Polaren von U, ebenso erh�lt man einen Punkt der Polaren von U, wenn man auf der Geraden U V W zu U, V, W den vierten harmonischen Punkt (s. Harmonische Teilung) sucht, der zu U konjugiert ist. Die Polare eines Punktes auf dem Kegelschnitt ist die zu dem Punkte geh�rige Tangente. Die Polaren aller Punkte einer Geraden gehen durch den Pol dieser Geraden und die Pole aller durch einen Punkt gehenden Geraden liegen auf dem Pole dieser Geraden.

Geschichte. Schon die alten Griechen haben sich mit den Kegelschnitten in ausgedehntem Ma�e besch�ftigt; ihr Wissen �ber diese Kurven hat Apollonios von Perge (s. Apollonios 2) in einem ber�hmten Werke zusammengefa�t; vgl. Zeuthen, Die Lehre von den Kegelschnitten im Altertum (deutsch, Kopenh. 1886). Erst Desargues und Pascal sind �ber das, was die Alten schon wu�ten, hinausgekommen. Um dieselbe Zeit wurde durch die von Descartes 1637 angegebene Koordinatenmethode ein neuer Weg zur Untersuchung der K. er�ffnet, den zuerst Wallis in dem »Tractatus le sectionibus conicis nova methodo expositis« (1655) ausgiebig benutzt. Seitdem bildet die Lehre von den Kegelschnitten den Hauptinhalt der zahllosen Lehrb�cher der analytischen Geometrie, unter denen am ausf�hrlichsten das von Salmon-Fiedler ist (»Analytische Geometrie der K.«, 2 Tle., 6. Aufl., Leipz. 1898 u. 1903). Endlich hat die neuere synthetische oder projektive Geometrie (Poncelet, M�bius, Steiner, Chasles, v. Staudt) die K. wieder rein geometrisch behandeln gelehrt. Vgl. Geometrie.

Quelle:
Meyers Gro�es Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 802-804.
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